Auch wenn es in Dresden diesmal keine flächendeckende Plakataktion mit Bildern der neuen Führungskraft gab, so ist doch die Neubesetzung nicht uninteressant. Der Scheune e.V. erhält einen neuen künstlerischen Leiter: Marco Stahn.
Stahn ist Anfang 30 und hat viel vor. Einigen könnte er bereits als DJ bekannt sein. Auch in der Scheune und auf der Bunten Republik Neustadt brachte er die Leute mit Musik aus der Konserve bereits zum Tanzen. Nachdem er über seine erfolgreiche Karriere als „Karneval- und Dorf-DJ“ in Brandenburg mit Schunkelmusik hinweggekommen war, kam er zur alternativem Rock und Elektro, wie auch zur Musik osteuropäischer Länder und dem Balkanpop. In Chemnitz studierte Stahn Europa Studien (BA), obwohl er nie studieren wollte, doch „die Gesellschaft erwartete einen Abschluss von mir“. Er ist kein Mann der Wissenschaft, eher ein anpackender, ein Macher, ein Kulturschaffender, Verantwortung zu übernehmen, sei sein Ding. Folgerichtig engagierte er sich verschiedentlich in Chemnitzer, arbeitete im Uniradio mit, versuchte die schwierige Brücke zwischen den Chemnitzern und den Chemnitzer Studenten zu schlagen, eröffnete schließlich als logische Konsequenz seine eigene Bar (die Beta Bar) auf dem Brühl, das Chemnitzer Viertel, in dem schon seit Jahren eine kulturelle/ studentische Belebung versucht wird. Nach sieben Jahren im kleinen, sächsischen Nachbarn ging er für einen kurzen Abstecher nach Berlin und kam nun nach Dresden, statt wie eigentlich geplant nach London. Warum? Ganz einfach, weil er in Dresden einen Job hat.
Nun ist er angekommen, hat seine Wohnung hier bezogen und will sich erstmal ein halbes Jahr einleben, „dann sehen wir weiter“. Dresden kennt er bis jetzt hauptsächlich von Auftritten und Besuchen und fand sich in der Scheune unter der Vielfalt der Angebote und dem buntgemischten Publikum von Anfang an gut aufgehoben. Jetzt will er sich ausprobieren, muss sehen, was funktioniert, will lernen, was „Scheuneprogramm“ heißt, ohne das er die Scheune prinzipiell in eine andere Richtung als bisher führen will. Der kulturelle Auftrag der Stadt, an den auch die Fördermittel geknüpft sind, heißt schließlich: ein breites, kulturelles Angebot zu machen.
Für konkrete Visionen brauch er noch ein wenig Zeit. Musik, live und vom Plattenteller, Literatur, bildende Kunst, Theater, Kinderprogramm …, alles soll weiterhin auf dem Plan stehen und doch will er seine eigene Handschrift einbringen. Erste Ansätze könnte die Erweiterung eines Familienprogramms sein, immerhin zählt die Neustadt zu den Stadtteilen mit der höchsten Geburtenrate deutschlandweit. Solche Tendenzen in der Stadtentwicklung darf man nicht außer Acht lassen. Und genau dieses Gespür für die aktuellen Entwicklungen, auch in der Musik und der Jugend allgemein, sagt ihm der Vorsitzende der Scheune, Leif Greinus, nach langem Auswahlverfahren aller Bewerber nach. So offen und vielfältig, wie Stahn das Publikum des Hauses einschätzt, will er auch auf eben dieses reagieren und diesem ein passendes Programm anbieten.
An Ideen mangelt es ihm nicht. Am 20. Februar wagt er sich schon einmal in eine neue Richtung: den Afro-Funk. Ebo Taylor aus Ghana soll mit seinem Konzert zeigen, ob ein Genre, was Stahn weitläufig mit World/ Jazz umschreibt, in der Scheune zukunftsfähig ist. Ebenso soll ein Scheune-Club mit Djs und Live-Elektronik etabliert werden. Neue „Indiethemen“ (scheinbar ein Lieblingswort von Stahn) finden, junge Bands fördern und dabei aber den Hang zum Pop nicht verlieren, das will er. Aber die Scheune als Verein muss auch rechnen. Am Ende des Jahres sollte eine schwarze Null herauskommen, so Greinus.
David Buschmann