Ein faszinierender Gedanke muss das für Michael Hurshell gewesen sein: Mendelssohn, Wagner und Schreker einmal im Konzert koppeln! Und sicher erschien es dem Dirigenten und Kurator einer neuen Wagner-Dauerausstellung im Graupaer Jagdschloss reizvoll, zur Eröffnung die "Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden" spielen zu lassen; ein Orchester, das Hurshell seit 2007 leitet.
Die eigentliche Werkauswahl jedoch – und einige Entscheidungen, die recht mächtige Besetzung des Orchesters, die jeweiligen Fassungen der aufgeführten Stücke und ihre Interpretation betreffend – müssen unglücklich genannt werden. Der kleine Konzertsaal des Jagdschlosses ist nämlich für Kammermusik ausgelegt. Sobald die Kammerphilharmonie lauter als mezzopiano spielte, torpedierte die staubtrockene Akustik die Wirkung der aufgeführten Werke und machte die Auseinandersetzung mit den Interpretationen zunichte. Zumal Hurshell nichts tat, um diese missliche Lage irgend zu moderieren; weder Artikulation noch Dynamik schien der Dirigent dem Raum anpassen zu wollen, was die meisten Passagen erbarmungslos dick und die Werkschlüsse unbekümmert abrupt erscheinen ließ. Die Streichertremoli, die in Liszts Reminiszenz "Am Grabe Richard Wagners" laut Partitur im Pianissimo die Trauernden erschauern lassen sollen, brachen über das Graupaer Publikum als akustisch properer Regenschauer herein. Um so unverständlicher, als für einige der aufgeführten Werke durchaus stimmigere Besetzungen existiert hätten. Ist doch das "Siegfried-Idyll" im Original für Streichquartett, Kontrabass und acht Bläser instrumentiert; wurde Liszts "Am Grabe" im Original für Streichquartett (und Harfe ad lib.) geschrieben; und wäre die "Sonate für das Album von Frau M.W.", die am Freitag zum ersten Mal in einer Kammerorchester-Fassung von Erica Muhl aufgeführt wurde, in der Klavier-Originalfassung an diesem Ort schlicht dankbarer aufzuführen gewesen.
Dem Publikum im ausverkauften, mit dem großen Orchesterpodium nurmehr gut hundert Plätze zählenden Saal, dankte indes mit lautem, rhythmischen Klatschen, indem vielleicht auch Erleichterung mitschwang: ist es doch in Graupa tatsächlich gelungen, einen neuen Konzertsaal pünktlich im angestrebten Kostenrahmen zu übergeben!
Eine Textfassung des Artikels ist am 21. Januar in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.