Drei Tage erst vor der feierlichen Eröffnung war die Idee aufgekommen, der Prominenz, die sich der kleine Ort Graupa vom großen Richard Wagner leiht, den Nimbus des Wagner-Dirigenten Christian Thielemann beizugeben. Er sei zwar vorher noch nie dagewesen, so der Maestro, aber die Schirmherrschaft habe er spontan und gerne übernommen!
1846 machte Wagner mit Frau Minna in Graupa zwischen Pillnitz und Pirna Urlaub von seinem Hofkapellmeisterdienst in Dresden. Sie logierten im Schäferschen Großbauernhaus, das seit 1907 als Lohengrin-Haus zu besichtigen und neben Bayreuth einzig erhaltene authentische Wohnstätte Wagners in Deutschland ist.
Wer wisse außerhalb Dresdens schon von Graupa?, fragte Thielemann. Und erzählte, was auch manchen Wagnerkenner verblüffen dürfte: Wagner sei viel gewandert, habe täglich in der Elbe gebadet. Wenn er, Thielemann, heute am Elbufer entlang aus der Stadt herausradele, bei einem Glas Wein beim Winzer in Elbnähe pausiere, empfinde auch er so: herrlich!
Auch das neue Museum der Wagner-Stätten-Graupa setzt auf Sinnlichkeit. Schon im Windfang zum Foyer tönt eine Klangdusche von Musiksequenzen aus den vier Dresdner Wagner-Opern sanft auf den Eintretenden herab. Im feinst sanierten und für den Zweck ausgebauten vormaligen Jagdschloss ist das Parterre der Dauerausstellung gewidmet. Der Kurator Michael Hurshell hat das Augenmerk auf klangliches Erspüren der Wagnerschen Musik gelegt. Um ein breiteres Publikum in eine Wagner-Ausstellung zu ziehen, brauche es unmittelbare, die Sinne ansprechende Berührung mit der Musik selbst.
Die Gestalter haben dazu mit ausgefeilter multimedialer Technik einen „Pfad zu Wagner“ angelegt, durch den sich der Besucher auf verschiedenen Emotions-Ebenen wie „Liebe & Hass“ oder „Angst & Mut“ per Chipkarte führen lässt. Für eins dieser fünf Gefühlspaare muss man sich beim Erwerb der Eintrittskarte entscheiden. Frappant aus technischer Sicht ist eine animierte Holografie-Szenerie, die abwechselnd eine Lohengrin- und eine Holländer-Szene zum Leben erweckt. Ohne viel musikhistorische Erklärung auf Tafeln, unmittelbar verständlich und individuell – durch das gewählte „Paar“ – und aktuell „interaktiv“, will die museale Inszenierung neue Besucherkreise für Wagner gewinnen.
Mit dem Umbau bekam das barocke Ex-Jagdschloss in seiner Beletage auch einen Veranstaltungssaal mit respektabler Akustik, der bis zu 199 Musikliebhabern Platz bietet. Hierhin hatten am Vorabend des Eröffnungstages auch MDR Figaro und Semperoper zu einer Gesprächsrunde „Operncafè Spezial“ zum Thema „Wagner-Gesang“ eingeladen. Spritzig einleitend hatte Figaro Opernredakteurin Bettina Volksdorf in die geladene Runde gefragt, ob es lebensgefährlich sein könnte, Wagner-Partien zu singen. Denn der „Uraufführungs-Tristan“ Ludwig Schnorr von Carolsfeld, sei ja in der ersten Aufführungsserie von „Tristan und Isolde“ 1865 in München auf den Brettern gestorben – nicht geklärt warum. „Na ja, gesund müsse man schon sein“ meinte Tenor Robert Dean Smith, der tags darauf die Titelpartie des „Lohengrin“ an der Semperoper in ausgegrabener Altinszenierung zu singen hatte. Weitere Gäste der Runde waren Christian Thielemann, Chefdirigent der Staatskapelle Dresden und Dirk Mürbe, Leiter der Phoniatrie und Audiologie der Uniklinik Dresden. Charmant geführt von der Moderatorin, entspann sich über die Anforderungen an Wagner Sänger/inen und Besonderheiten des Wagner-Gesangs ein eineinhalbstündiges Gespräch.
Die Stadt Pirna hatte sich 2006 zum Projekt der Richard-Wagner-Stätten Graupa bekannt. Für die Renovierung und Sanierung von Lohengrin-Haus und Jagdschloss, die Einrichtung des Museums, den Saal und erforderliche Nebenobjekte hat die Stadt 5,7 Millionen Euro aus Haushalt und Fördermitteln ausgegeben. Eine Investition, die sich für Pirna, obwohl im Schatten Dresdens, mit dem ‚Wagner Ort Graupa‘ als kulturelle und touristische Attraktion langfristig bezahlt machen wird. In seiner Begrüßung zur Eröffnung des Wagner-Museums schätze Klaus-Peter Hanke, Oberbürgermeister der Stadt Pirna die Zahl der Besucher für das laufende Jahr noch zaghaft „wir hoffen auf gut Zehntausend“. Der Zuspruch seither verspricht gar deutlich mehr.
Museum täglich 10 – 16 Uhr, Dienstag geschlossen