Wagners Werke sind lang. So kann es sein, dass Aufführungen schon nachmittags beginnen und wir verlassen das Opernhaus dennoch zu einer Zeit, als hätten wir einen „normalen“ Abend erlebt, Puccini, Verdi oder so. Es empfiehlt sich, den Wagnernachmittag mit einem guten Kaffee zu beginnen. Auf ins Café Lohengrin: „In dieser Straß´/Unfindbar deinen Schritten/Liegt ein Café, das Lohengrin benannt./Und ein Buffet, das stehet dort inmitten/So kostbar als auf Erden nichts bekannt.“ Der Wirt heißt Hunding, Tristan ist der Piccolo und Elsa die Kellnerin.
Einer der härtesten Verehrer Wagners, Hans Pfitzner, hat so gedichtet, und sich selbst zum Gast des Etablissements gemacht, nennt sich Hans P., trifft sich mit Paul C., und der ruft dem Tristan, also dem Piccolo, ganz jovial zu: „Heda, Heda, Hedo, Zu mir, du Gedüft!“ Und Hans P. fällt ins Wort: „Hehe, ihr Nicker, wie seid ihr niedlich.“ (Laut Szenenanweisung sind weitere Kellnerinnen, mehrere Piccolos anwesend, viele Gäste. Sogar ein Nachwächter.)
Tristan kommt und spricht: „Begehrt, Herren, was ihr wünscht.“ So geht es weiter, am Ende haben wir einen Salat aus Wagnerzitaten mit Krach zwischen Gästen und Hunding, dem Wirt und einem Hans P. in wildem Grimm, den der Wirt hinauswirft: „Ha, Frecher du, frevelst du mir?/Schäbiger Schuft, so ziehe denn hin,/Ich kann dich nicht halten, Lungerern lass ich den Lauf.“ Und was entgegnet Wagnerfan Hans P.? Erraten, geht gar nicht anders, „War es so schmählich, was ich verbrach?“ Fulminantes Finale: Fluch, furchtbarer Trank, wallen, fallen, Tölpel taumeln dahin, dazu der Chor der Gäste: „Treulich geführt/Zieht dahin!“
Wohin? Ins Opernhaus. Oder ins Theater, wo es eine Commedia dell´ arte gibt. Geschrieben hat sie Herbert Rosendorfer, Titel „Don Tristano e Donna Isotta“, Wagner im Stile Goldonis, als „Burlesca teatrale leitmotivica in tre atti“. Höhepunkt, wie eigentlich schon bei Wagner, ist der erste Akt, also wenn Isolde Tristan den Liebestank reicht, bei Rosendorfer, der sich als Kenner Thomas Manns erweist, natürlich klares Wasser. In „Leiden und Größe Richard Wagners“ schreibt er nämlich, da sie sich ja eh uneingestanden lieben, hätte dieser Liebestrank auch ein Glas Wasser sein können. Dass dem so ist weiß auch die kluge Adina in Donizettis Oper „Der Liebestrank“, denn sie liest ja beständig „Tristan und Isolde“, immerhin Nemorinos Liebeselexier ist hier wenigstens billiger Fuselwein. Und da kommt bei Rosendorfer in seiner kleinen Commedia zusammen was zusammen gehört. Wagner liebte die italienische Gesangsoper, und es sind ja auch bis heute immer wieder wahre Glücksmomente des Wagnergesanges wenn die Sängerinnen und Sänger italienischen Charme haben. Schon mal Maria Callas als Isolde oder Kundry gehört? Unbedingt zu empfehlen. Den Text muss in deutschen Opernhäusern auch mitlesen.
Zurück zu den heiteren Wagnerwerken, nicht unbedingt immer von Verehrern wie Hans P., verfertigt. Oder wie soll man es sehen, wenn Hermann Wollheim seine Parodie „Tannhäuser oder die Die Keilerei auf der Wartburg“ als „Große sittlich-germanische Oper mit Gesang in vier Aufzügen“ bezeichnet. Allein das Rollenverzeichnis spricht für den speziellen Humor des Parodisten. Elisabeth ist ein „höheres Bählämmel, sanft erzogen und militärisch fromm“. Ihre Konkurrentin, Frau Venus, ist eine „geborene Schulze, Göttin der Liebe und Inhaberin eines Pschorrbräu-Kellers im Venusberg“. Hier erwacht Tannhäuser, „Heinrich Gottlieb, Sohn des alten Tannhäuser, ein bis in den Venusberg heruntergekommener Bummler aus Jena; Minnesänger“. Ein Hirt ist aus Arkadien gebürtig, einzig ein Pferd ist „fehlerfrei“, in diesem Travestieschwank, denn die Damen sollten von Herren gespielt werden. Hoch die Humpen im Bräukeller, bis die Glocken „bimmeln“ und es den Minnetypen zum „Vieh der Erde“ zieht und er unter den Klängen der „Bummler-Marseillaise“ ausreißt. Es lockt ihn in „die ländlichen Bezirke.“ Schon ist er wieder oben und ist erfreut, „Die holden Gänze schnattern mir entgegen, Ich komm, ich komm, ihr irdischen Kollegen.“ Diese dann, und damit sei´s genug an Zitaten dieses Werkes, halten den armen, so fest knienden Beter, um dessen Hosennähte sie ob der angestrengten Haltung fürchten müssen, für einen „Attentäter“. Ein früher Fall für das Regietheater.
Johann Nestroy hat sich auch über Tannhäuser lustig gemacht. Er nennt sein Stück „Tannhäuser. Zukunftsposse mit vergangener Musik u. gegenwärtigen Gruppierungen in drei Akten.“ Ob Nestroy bei Wollheim ein bisschen abgeschrieben hat? Immerhin ist seine Venus Inhaberin eines unterirdischen Delikatessenkellers, und dieweil bei Wollheim Tannhäuser und Elisabeth als „zarte Pflaumen“ sterben, sind sie bei Nestroy im Tode „zarte Pflanzen“ und tragen Nachtmützen. In einer historischen Aufnahme aus Wien gibt es bei der Edition Premiere als zweite CD der Reihe „Nestroy klassisch“ diese Wagnerparodie.
Sicher die berühmteste Parodie von Werken Richard Wagners ist die Operette in drei Akten „Die Lustigen Nibelungen“ von Oscar Staus. Text von Fritz Oliver, der nannte sich „Rideamus“, lasst und lachen heißt das, und das kann man wirklich bei dieser Operette, die man nicht erst dadurch adelt, wenn man sie in die Nähe Offenbachs bringt. Bei Line Music ist eine historische Aufnahme der Operette von 1951 aus Wien erschienen, immerhin mit damaligen Stars wie Hilde Rössel-Majdan und Otto Wiener unter der Leitung von Max Schönherr. Berühmtestes, so hintersinniges wie eindeutig zweideutiges Zitat ist der Text eines Ensemblesatzes, als es darum geht Jung Siegfried abzumurksen: „Von vorne, von vorne, da ist ganz von Horne. Von hinten, von hinten, kann man ihn überwinden.“
In Dresden, als Zugabe zur nicht ganz so lustigen Ring-Produktion in der Semperoper, gab es auf der kleinen szene einst eine hinreißende Inszenierung von Jürgen Pöckel in kammermusikalischer Fassung. Im Überschwang musizierten Dresdner Musikstudenten, mit Lust sangen und spielten ehrenwerte Mitglieder der Sächsischen Staatsoper.
„Hättest du nichts als Noten geschrieben,/ So mancher Spott wär´ unterblieben.“, stellt Fritz Mauthner unter dem Pseudonym Richard Wagner seinem kurzen „Bühnen-Weh-Festspiel in drei Handlungen“ voran. Die Titel ist von Wagnerscher Länge: „Der unbewußte Ahasverus oder Das Ding an sich als Wille und Vorstellung“. Absurder Stabreim über Dauermelodien vom Wunderkind der Weltenbewegung. Das Stück aus dem Jahre 1878 ist von scharfer Kritik. Im Nachwort einer Ausgabe von Wagner Parodien des Insel Verlages, Insel-Taschenbuch Nr. 687, schreiben die Herausgeber Dieter Borchmeier und Stephan Kohler zu dieser intelligenten Miniatur: „Ein böser Fußnotentritt der die Anmaßung von Wagners Erlösungsangebot an die Juden dekuvriert, das ihnen nur die Chance ihrer Selbstvernichtung einräumt.“
1911 veröffentlichte Friedrich Huch seine groteske Komödie „Der Fliegende Holländer“, hier wie auch in seinen heiteren Stücken nach „Tristan und Isolde“ als Schattenspiel oder „Lohengrin“ als Puppenspiel waltet freundliche, literarisierte Ironie. Lesevergnügen pur, Musik von Wagner dazu, warum nicht italienische Aufnahmen, dazu einen runden roten Rotwein, freundliche Empfehlung. „Man muß mit dem Erhabensten scherzen können.“, so Richard zu Cosima, an Selbstvertrauen hat es ihm nicht gefehlt.