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Gläserne Neubauten

Kling-klang, du und ich… (Foto: David Buschmann)

Vor einiger Zeit wollten Jan Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, und Alan Gilbert, Music Director der New York Philharmonics, nach einem Konzert den Abend im Restaurant der Gläsernen Manufaktur in Ruhe ausklingen lassen. Gilbert betrat zum ersten Mal die überwältigenden Fertigungshallen und sagte so etwas wie: „Hier müssen wir“ Kraft“ spielen“. Sofort entbrannten Festspielleiter und Dirigent in der Euphorie diese Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Am 14. Mai 2013 wird es nun so weit sein. Die New York Philharmonics werden unter Leitung Alan Gilberts „Kraft“ von Magnus Lindberg in der Gläsernen Manufaktur aufführen. Der Komponist wird, wie bereits zuvor, selbst den Klavierpart übernehmen und unter Solisten des Abends befindet sich u.a. Joshua Bell.

Magnus Lindberg ist einer der renommiertesten finnischen Komponisten unserer Zeit, der in den 1980ern, also zur Zeit der Entstehung des Orchesterwerkes „Kraft“, in Berlin lebte. Eine Zeit des Umbruchs in vielerlei Hinsicht, natürlich auch musikalisch. Die Geräuschkunst, Industrial und die Raummusik nahmen großen Einfluss auf das Schaffen Lindbergs. Bands wie „Einstürzende Neubauten“ beeindruckten ihn durch ihre Radikalität in der Erweiterung des gewöhnlichen Instrumentariums. Metallische Gegenstände, Industrieprodukte und Maschinen wurden unter den Händen Blixa Bargelds und N. U. Unruhs zu Musik. Lindberg versuchte solche Sounds in die klassische Musik zu übertragen.

Das Ergebnis ist „Kraft“. Der Versuch, neue Klänge in den klassischen Orchesterapparat zu tragen und diesen damit in einen heutigen Kontext zu bringen. Lindberg durfte sich in der Gläsernen Manufaktur dem reichhaltigen Angebot an ca. 14.000 Einzelteilen der Wagenkarosserie bedienen, um seiner Industrial-Klassik ein einmaliges Instrumentarium zu verleihen. Nur eine Auswahl der Teile schaffte es schließlich in das Stück. Man ahnt nicht, was für versteckte Perkussionsinstrumente in einem Auto verborgen sind: Eine Bremsscheibe kann einen fast glockenähnlichen, durchdringenden Ton besitzen, eine Auflage für Stoßdämpfer gibt gleich eine Reihe an Tonhöhen von sich und viele weitere Kleinteile können einen neuen Sound zum Orchester beisteuern. In einer „Allianz aus Primitivem und Hyperkomplexem“ erforscht das Stück mit Mitteln des Orchesterklangs, der Elektronik und der Geräusche aus den Karosserieteilen die Verbindung von einfachen, rauen Geräuschen und komplizierter Sinfonik. Zusätzlich werden sich die Orchestermusiker im Raum bewegen, über Verstärker soll um die Zuschauer herum noch Musik entstehen, der Ton soll von allen Seiten kommen – sogar von oben. Ein Tamtam wird in der Mitte des Stückes von der Decke herabgelassen.

David Buschmann

Das Konzert ist ausverkauft; es gibt es eine Live-Übertragung via www.musikfestspiele.com.