Es ist ein Vergnügen. Auf jeden Fall. Dresdens ältester Theaterbau, das Societaetstheater, 1776 von einem Freundeskreis eröffnet, 1832 feierlich geschlossen, dann verfallen, nach Wiederaufbau und Rekonstruktion seit 1999 städtischer Produktions- und Aufführungsort des freien Theaters und Tanzes. Der historische Saal ist schwarz verhängt, das ist so im freien Theater, hier ist es schade. Immerhin, das Portal der Guckkastenbühne ist da, dahinter die Bretter von Weltbedeutung, darauf das Spiel, der Tanz, absurd, banal, clownesc und ziemlich abgefahren, was den Humor dieser Choreografie von Cindy Hammer betrifft.
Also, da sitzt einer, vorn rechts, im Ohrensessel, löffelt genüsslich eine Melone aus, trägt einen Hut auf dem Kopf, Stöckelschuhe an den Füßen. Ist das Wankuku?Auf der anderen Seite steht ein Plattenabspielgerät, im Hintergrund ein Tisch, zwei Melonen sieht man auch und alles unterm Sternenglanz der Discokugel. Zunächst ein Monolog auf Polnisch, Verstehen nicht nötig, der elegante, weiche Sound dieser melodischen Sprache mischt die Stimmung auf.
Dazu bald weitere Soundcollagen, von Siggy Blooms, Random Guru, David Lynch, Velvet Underground und anderen. Schallplatten, historisch und nostalgisch, weiße Scheiben aus Venyl, spielen auch ein Rolle. Man kann damit jonglieren, man kann sie wie Inseln auf die Weltbühnenbretter legen und dann mit kleinen Sprüngen und Schritten eine ganze Welt umrunden. Aber wohin?
Der Typ mit Hut, Melone, Stöckelschuhen sitzt noch immer in seinem Sessel. Johannes Schmidt, ein Tänzer der nicht tanzt, aber eben mit tänzerischer Disziplin das Geheimnis seiner Anwesenheit bewahrt. Aber da sind noch die zierliche Tänzerin Altea Mallor Hoya, die schon mal ganz elegant Melonen an den Füßen trägt, die kraftvolle Dagmar Ottmann mit der unwiderstehlichen Präsenz einer Frau die wissen könnte was sie will und der biegsam, elegante Tänzer Niels Freyer, der wie in Trance oder Abwesenheit dennoch seinen Platz auf dieser aberwitzigen Bühnenwelt behauptet. Drei Menschen, allein in Bewegung, zu zweit in verzerrten Spiegelungen, zu dritt im Kampf gegen den eigenen Stillstand. Und irgendwie versuchen alle drei den einen da im Sessel zu bewegen. Aber da bewegt sich nichts. Sie beißen sich die Zähne aus und tanzen sich die Sohlen wund, sie können den Raum erobern, die Herzen der Zuschauer auch, aber der Typ bleibt ungerührt für sich. Nicht, dass man alle Rätsel lösen könnte, nicht dass man auf Anhieb begriffe, was die Choreografin im Innersten bewegt. Aber das stört nicht. Das bremst nicht die Fahrt der eigenen Bewegtheit beim Blick in diese Theaterwelt von gestern, die aber doch – und das macht diese 30 Minuten so spannend, so unterhaltsam im besten Sinne – dem Kopf der jungen Choreografin Cindy Hammer und ihrem Team gänzlich von der Gegenwart inspirierter junger Protagonisten des „go plastic tanztheaters“ entsprungen sein muss. Man wünscht sich mehr davon, vielleicht auch noch mehr Mut, bis an den Rand des Abgrunds der Theaterwelten vorzudringen.