Eine Ausnahme im Alphabet der Wagnersänger. Der Anlass ist aktuell, der Anlass ist traurig. Spas Wenkoff, der bulgarische Tenor, der von Dresden aus eine Weltkarriere machte, ist am 12. August, im Alter von 84 Jahren, in Bad Ischl, wo er sich nach seinem Abschied von der Bühne vor 20 Jahren niedergelassen hatte, gestorben.
Wenkoff kam 1965 in die DDR, in Bulgarien hatte er sich schon einen Namen als Operettentenor gemacht. Er war zunächst in Döbeln am Theater engagiert, damals noch eigenständig, mit Musiktheater, Schauspiel und Ballett.
Von Döbeln ging Wenkoff nach Magdeburg und langsam bekam der Name einen Klang. Da sei doch ein Tenor, den kenne noch keiner, aber das könnte sich bald ändern, so hieß es schon in der so munteren wie reisefreudigen Operngemeinde der DDR, innerhalb der Grenzen, versteht sich. Zu Beginn der 70er Jahre habe ich dann Spas Wenkoff auch in Magdeburg erstmals erlebt. Er sang den Tannhäuser. Gut zehn Jahre später, da hatte er schon auf dem Grünen Hügel von Bayreuth gesungen, da wurde er schon an der MET in New York gefeiert, sorgt er ebenfalls als Tannhäuser für einen Opernabend der besonderen Art in Wien. Das war am 16. Oktober 1982. Reiner Goldberg singt an diesem Abend die Titelpartie, Wenkoff sitzt im Publikum, schon bald, im ersten Aufzug, sind bei Goldberg Probleme nicht zu überhören, der Sänger ist indisponiert, er kann nicht weiter singen. Wenkoff springt ein, mitten im ersten Akt, „Tannhäuser“ ist gerettet, die Wiener jubeln. Sie werden ihren „Einspringer“ noch einmal feiern, im November, drei Jahre später, vormittags wird in Berlin probiert, ganz vorbildlich und pünktlich, „Tristan und Isolde“, dann auf nach Wien, am Nachmittag rettet Spas Wenkoff die Aufführung von Wagners „Die Walküre“, er springt für Gerd Brenneis als Siegmund ein.
Und eigentlich, aller guten Dinge sind drei, begann die Weltkarriere des Sängers auch mit einem „Einspringen“. Harry Kupfer wollte in Dresden, an der Staatsoper, im Großen Haus, „Tristan und Isolde“ inszenieren. Tenöre waren Mangelware in der DDR, Tenöre, die einen Tristan singen uns spielen können, erst recht. Zum Vorsingen meldet sich Spas Wenkoff, damals schon an der Oper in Halle engagiert, bis dahin aber weder dem Dirigenten Marek Janowski noch dem Regisseur bekannt. Das Vorsingen klappt, Kupfer hat seinen Tristan gefunden, die Premiere, am 12. Oktober 1975, wird ein bejubelter Erfolg, und Spas Wenkoff wird künftig diese Partie weit öfter als 400 Mal singen, in Berlin, Ost und West, in München, in Bayreuth, in Wien oder in Köln. Unter Carlos Kleiber gibt es eine Gesamtaufnahme mit ihm in dieser Rolle.
Ich erinnere mich gut an dieses Debüt. Das war einer dieser denkwürdigen Dresdner Opernabende. Kupfers großes Spiel vom Tod, eigentlich von Beginn an ein Liebestod, optischer und musikalischer Höhepunkt das Liebesduett im zweiten Aufzug, ein Totengarten, die Liebenden wie in Stein gemeißelt, als Grabsteine ihrer selbst, Wagners Wahn in wahnsinnig schönen Bildern, die der Musik und dem Gesang dieses Abends – obwohl eigentlich allen damaligen „Tristanerwartungen“ widersprechend – so eindrücklich entsprachen. Fast 40 Jahre später in lebendiger Erinnerung.
Die Isolde an Wenkoffs Seite war Ingeborg Zobel, sie ist gerade, am 31. Juli, 85 Jahre alt geworden.
Spas Wenkoff hätte seinen 85. Geburtstag am 23. September feiern können.
Also, CDs hören, selbst seine erste Platte, damals bei Eterna erschienen, „Ein Opernabend mit Spas Wenkoff“ von 1977, wurde wieder aufgelegt. Oder die Biografie lesen, zum 80. Geburtstag erschienen, „Alles war Zufall".