Die Kultur-Kompetenz vom Bundesminister Sigmar Gabriel würde nie jemand anzweifeln. Es gibt sie ja nicht. Und trotzdem hat sie Folgen.
1. Folgen für ihn: Gewichtszunahme, Verfettung, Unwohlsein. Das wirkt sich aus in Übellaunigkeit und schlechtem Umgang mit politischen Gegnern sowie untertänigsten Mitgliedern der eigenen Partei.
2. Folgen für die Steuerzahler: Je länger solche wie Gabriel im Amt und ohne Würden bleiben, umso teurer wird es für die Allgemeinheit. Auch deren Laune wird dadurch nicht besser.
3. Folgen für den normalen Menschenverstand: Wie kann etwas Folgen haben, das es doch gar nicht gibt?
Sigmar Gabriel lässt sich nicht kaufen. Er gibt lieber preis. Damit steht er gewiss ganz und gar treu in der Tradition von tapferen deutschen Sozialdemokraten wie Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann („Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten!“), Gustav Noske („Einer muss ja der Bluthund sein“), Gerhard Schröder („Genosse der Bosse“) und vielen, vielen anderen.
Inzwischen klingt der alte Herr der Sozialdemokratie neben der Abkanzlerin aller Muttis ja reichlich fade nach dem kruden Einheitsparteiengefasel à la „Ich liebe euch doch alle!“. Wer erinnert sich noch daran? Eben! Im Wahlkampf wollte Sigmar G. das Freihandelsabkommen mit den USA noch vehement verhindern. Im Wirtschaftsministerium, wo der Beamtensohn aus Goslar inzwischen geparkt wird, um dort Maximalschaden anzuzetteln, setzt er sich nachgerade dafür ein.
Bald wird auch das vergessen sein, denn „Siggi Pop“ (so benannt, weil er sich Anfang des 21. Jahrhunderts mal als sozialdemokratischer Popbeauftrager ausprobieren durfte) erwies sich bislang noch in all seinen Ämtern als kurzlebig.
Während die sogenannte FDP noch immer über Namenswechsel statt Auflösung debattiert, ist die SPD schon zwei Schritte weiter. Sie hat sich inhaltlich längst aufgelöst und dennoch den alten Namen beibehalten – das ist die wahre Quadratur aller Kreise und Ellipsen!
Nun werden die Türen von den Toren geöffnet, staatliche Kulturförderung dürfte damit schon bald ein Gegenstand für kräftig kassierende Anwälte werden. Ob die per Zwangsabgabe alimentierten Kanäle von ARD und ZDF, ob Buchpreisbindung oder ob öffentlich geförderte Bibliotheken, Orchester und Theater – mit dem Haudrauf-Prinzip der Justiziare von Google & Co. dürfte solch ein althergebrachtes Kulturverständnis, das sich nicht „rechnet“, sehr rasch umgemünzt werden. Wo Freihandelsabkommen draufsteht, soll freier Handel auch möglich sein. Also Schluss mit Oper und Tanz zulasten privater Abgaben, wo es doch gesponserte Live-Übertragungen auf Kinoleinwände auch tun? Die Weichen sind gestellt: Kultur wird Wirtschaftsfaktor, inhaltlich beliebig, muss Massengeschmack treffen und schwarze Zahlen bringen. Staatliche Fördermaßnahmen, wie sie in Europa eine einmalige Kulturlandschaft hervorgebracht haben – weil erstritten von Kulturschaffenden, aus einem breiten Kulturverständnis heraus –, gelten künftig als Protektionismus und werden vor Gericht verhandelt. Urheberrecht im Bereich der Künste wie der Medien ist keinen Federstrich mehr wert, nur noch einen Tastendruck: Copy & paste.
Gravierender aber, weil es ja um angeblich freien Handel geht, Kultur dort also gleichwertig mit Fast Food, Gen-Mais und Unterhaltungselektronik gehandelt werden soll, sind die bisherigen Förderstrukturen. Sie bedeuten aus US-amerikanischer Sicht eine Diskriminierung, denn wo Europa die eigenen Theater, Orchester, Opern und insbesondere die Filmindustrie (Dankeschön, Herr Neumann!) mit öffentlichen Mitteln und aus einem kulturellen Bildungsauftrag heraus unterstützt, können alsbald auch andere Anbieter die Hände aufhalten. Das Schlagwort dafür hieße Gleichbehandlung. Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Und das Resultat wäre Entertainment ohne Grenzen, ohne Inhalt, ohne Sinn.
Herr Gabriel, bitte übergeben Sie!
Herzlich und nicht hoffnungslos, bis nächsten Freitag –
Michael Ernst