Der Weihnachtsabend naht mit Riesenschritten, und leise Torschluss-Panik erfasst Sie, weil Sie die letzten Wochen keine Zeit hatten, sich um Überraschungen für die Lieben zu kümmern? Hier ein Vorschlag: Lassen Sie morgen das Weihnachtsliedersingen auf dem Theaterplatz ausfallen und besorgen stattdessen schnell noch eine der folgenden vier CDs, die unsere kleine Redaktion aus einer großen Kiste mit Rezensionsexemplaren gefischt und für besonders wertvoll oder interessant befunden hat.
„The Dresden Album“ heißt eine CD, die der in Paris lebende Geiger Johannes Pramsohler durch Crowdfunding finanziert und so u.a. mithilfe einer kleinen Unterstützung von www.musik-in-dresden.de veröffentlicht hat. Sein kleines „Ensemble Diderot“, das sich 2009 gründete, spielt auf Originalinstrumenten wie auch Nachbauten aus den 1990er Jahren und feiert hier sein Debüt mit Triosonaten u.a. von Georg Friedrich Händel, Johann Joseph Fux, Johann Friedrich Falsch (einer Weltersteinspielung, die Pramsohler in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek aufgespürt hat) und Georg Philipp Telemann. Hochgelobt von den Fachmedien – falls Sie also einen Musikkenner in der Familie wissen, der gefühlt schon alles im Plattenschrank hat: überraschen Sie ihn!
B-A-C-H ist das Universum, das der ehemalige Konzertmeister der Violoncelli der Sächsischen Staatskapelle, Isang Enders, auf dieser Doppel-CD bereist. Die Solosuiten hat Enders in eine neue Reihenfolge gebracht, er hat sie „nach Farben geordnet“ beziehungsweise in eine helle und eine dunkle Gruppe sortiert. So erklingen nun die fünfte, zweite und vierte Suite nacheinander; auf der zweiten CD folgen Nummer drei, eins und sechs. Ein Gastbeitrag im Beiheft stammt aus der Feder von Enders Freund Kit Armstrong. Oleg Jampolski empfiehlt: wenn Sie noch einen Plattenspieler haben, unbedingt als LP erwerben! Die Wärme und Lebendigkeit, die aus den Lautsprechern tönt, ist unübertroffen.
WINTERREISEN – im Plural – hat Daniel Behle für dieses Album. Nach der Schubertschen Reise ist Behle nach eigenem Fahrplan noch einmal losgelaufen und hat sich drei Mitreisende gesucht: den Geiger Andreas Janke, den Cellisten Benjamin Nyffenegger und den Pianisten Oliver Schnyder. Die „Musik-in-Dresden“-Redaktion zeigte sich, über dem Ergebnis brütend, gespalten; leidenschaftliche Befürworter trafen auf brüske Verdammer. „Leichenfledderei!“ (Alexander Keuk) Ob sich der Sänger mit seinem Arrangement am Komponisten vergangen hat, oder ob die Version mit Klaviertrio die Kammermusiksäle der Welt zukünftig im Sturm erobern wird? Sie müssen das unbedingt selbst hören und entscheiden.
Wenn es eine CD gibt, die das Jahr 2014 für die Dresdner Kulturszene repräsentieren müsste, wäre es sicherlich diese Aufnahme, die vor fast einem Jahr ausgerechnet in Berlin mitgeschnitten wurde. Unter Christian Thielemann liefert Evelyn Herlitzius die sängerische Leistung ihrer Karriere ab. Kritiker landauf, landab zeigten sich entflammt und priesen die Sängerin, hinter der sich mithin der Rest der Crew – Anne Schwanewilms, Waltraud Meier, René Pape – keinesfalls verstecken muss. Ein Jahrhundertereignis für die, die dabei waren.
Letizia Graul, Alexander Keuk, Oleg Jampolski, Martin Morgenstern, Michael Ernst