Auch wenn der Regisseur Werner Sobotka für seinen Beruf schwärmt, gibt er doch zu: sich mit einer fremden Identität in sonst ungesehene Lebenssitutationen zu schleichen, hättet sicher seinen Reiz. Das ist wahrscheinlich auch das Erfolgsgeheimnis der Geschichte, die am Freitag Premiere auf den Leubener Brettern feiern wird: Jeder von uns wäre gern ein bisschen wie Frank Abagnale.
Die wahre Geschichte dieses Mannes, der mit 16 von zuhause floh und sich ohne Abschlüsse sehr erfolgreich in etablierte Gesellschaftskreise schmuggelte, ist spätestens seit dem gleichnamigen Film bekannt. Neben zahlreichen, weniger erfolgreichen Nachahmern folgte dem Film 2009 ein Musical von Marc Shaimann und Scott Wittmann – welches nach seiner Premiere in Seattle letztes Jahr auch mit großem Erfolg in Wien seine europäische Erstaufführung feierte.
Abagnale stellt mit seiner Lebensgeschichte alle Ostap Benders und Felix Krulls dieser Welt in den Schatten. Erstens, weil er mit 21 Jahren bereits eine Hochstaplerkarriere als Pilot, Arzt, Rechtsanwalt und Scheckbetrüger hinter sich hatte und zweitens, weil er selbst aus seiner anschließenden Verhaftung noch Vorteile zog. Der Regisseur, der dem Broadway-Stück bereits zu seiner Europa-Erstaufführung in Wien verhalf, hat die Katz-und-Maus-Jagd nach dem liebenswerten Hochstapler Abagnale in Dresden inszeniert. Fast zehn Wochen Proben hat er hinter sich – eine ungewöhnlich lange Zeit für den normalerweise Sechs-Wochen-Rhythmus des Theaterbetriebs: „Es ist ein außergewöhnliches Ineinandergreifen der einzelnen Szenen, die viel Probenzeit erfordern“, sagt er.
Das Ergebnis besticht durch eine schlichtweg unglaubliche Dynamik; das Tempo der Erzählung kann mit der Hollywood-Verfilmung spielend mithalten, auch wenn der Regisseur anmerkt, er habe ja keine Neuverfilmung im Sinn gehabt. Das Bühnengeschehen ist viel theatralischer gearbeitet: durch den Abend führt Jannik Harneit als Frank Abagnale in der Rolle eines Conferenciers, der noch einmal in die verschiedenen Rollen seiner Lebensstationen schlüpft. An seiner Seite stehen altbewährte Solisten der Staatsoperette: Olivia Delauré als zauberhafte Brenda Strong und Christian Grygas in einer wunderbar tragischen Abegnale-Vaterrolle. Nikolas Gerdell gibt den verzweifelten, aber unnachgiebigen FBI-Agenten Carl Hanratty.
Eingefleischte Musical-Fans, die bereits mit der Wiener Produktion vertraut sind, können sich freuen: „Ich hatte hier die Möglichkeit, statt mit einer Band mit einem ganzen Orchester zusammen zu arbeiten – der Unterschied von fünf oder 37 Musikern kann sich hören lassen“, freut sich Sobotka. So trägt das Orchester der Staatsoperette den Zuschauer durch die Geschichte; der eine oder andere wird sich beim Mitwippen erwischen.