Der zehnte Semperopernball ist geschafft. Die letzten langstieligen Rosen – mit freundlichen Grüßen der Lufthansa – sind am Opernausgang verteilt und am roten Teppich an die darum bettelnden Theaterplatzgäste weiterverschenkt worden. Ein kleines bisschen Glanz und Glamour auch für draußen, wo ein Teppich von zerbrochenenem Glas von der Kaisermania zeugt, nachdem das ohrenbetäubende Feuerwerk fast so schnell verpufft ist wie die kurz angeklungene Ernsthaftigkeit.
Dieses Jahr gabs nicht nur so viele Debütanten wie noch nie und eine riesige Krone: Es gab auch noch mehr hochkarätige, zufällig auch sehr prominente Ordensträger. Der St.Georgs-Orden wird nunmehr seit zehn Jahren an bekannte Schlagerstars, erfolgreiche Filmproduzenten, Verkaufszahlen sprengende Schauspieler oder Größen aus der Automobil- oder Ölbranche verliehen und führt damit den Aufdruck des Ordens „Adverso flumine“ Jahr für Jahr ad absurdum.
Unter dem schmissigen, rasch an die Pegidamanie der letzten Wochen angepassten Motto „Dresden jubelt und heißt: die Welt willkommen“ feierten sich wieder hunderte und aberhunderte gutbetuchte Menschen in der Oper. Und wieder kamen tausende, um draußen auszuharren. (Oliver Pocher: „die kommen nicht alle rein, aber die haben ja wenigstens Luftballons, das ist ja auch geil!“) Was will man mehr? Vielleicht ein Los kaufen? Zu gewinnen gab´s teure Colliers, Reisen und Essen im Kempinski-Restaurant.
Obwohl es im Vorfeld Gemunkel um die ballbedingte Absage des Offen-und-bunt-Konzertes gab, war man sich nicht zu schade, noch einmal auf diesen Themenzug aufzuspringen. Oberbürgermeisterin Helma Orosz und Ministerpräsident Stanislav Tillich versicherten den Theaterplatzgästen, das Bild von Dresden sei ein anderes als das, welches PEGIDA erzeuge.
Aufgefrischt wurde das Innenprogramm von Showacts aus aller Welt: Flamencorhythmen, der Dresdner Kreuzchor, die junge, hervorragende Sopranistin Aida Garifullina, die sibirische Tanzgruppe Baikal, aber auch Playbackmusik von Baaba Maal waren zu hören.
Und auch unter den Ordensträgern dieses Jahres war wieder alles dabei: Ein paar verdiente Preise (wie die an Ludwig Güttler oder Macky Sall) und … naja, ein paar mussten halt weg. Schauspielerin Iris Berben sollte für ihr politisches Engagement ausgezeichnet werden, hatte nach langem Zögern zugesagt und musste die Farce, die ihre Grippe auslöste, dann zum Glück doch nicht miterleben: Nachdem Naomi Campbell, auf die die Dresdner vergeblich frierend am roten Teppich gewartet hatten, ihren Orden en passent entgegennahm, folgte eine holprige Ansage, in der die nächste Preisträgerin als Frau mit viel Herz und Engagement beschrieben wurde. In der entstehenden Pause stand sie schon mal auf, aber die Laudatio war noch gar nicht vorbei, denn sie wurde als die neue Marlene Dietrich betitelt. Ihr großes Herz für Kinder zeige sich darin, dass sie sich um mehr als die eigenen vier kümmert. „Sie hat die Welt schöner gemacht und dadurch auch besser“ (Patricia Riekel), nicht zuletzt mit den ehemals längsten Beinen in der Modelbranche, die natürlich erstmal vorgezeigt wurden: Nadja Auermann. So einfach ist das, wenn mal ein Ordensträger fehlt.
Aber es gab auch ernsthafte und mahnende Worte von Armin Mueller-Stahl. Dresden sei nicht offen für Hass und Ausgrenzung, und wir alle wären verantwortlich dafür, dass die Schrecken, die Kästners „Dresden“-Text beschreibt, nie wieder geschehen. Ähnlich äußerte sich auch St.Georgs-Ordenpreisträger der senegalische Staatspräsident Macky Sall in seiner Rede für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionsgruppen: „Ich weiß nicht, warum ich ausgezeichnet wurde, aber vielleicht ist es ein Zeichen der Ermutigung, weiter meinen Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten.“
Aber wie es so Tradition ist beim SemperOpernball: Bloß keine Nachdenklichkeit aufkommen lassen, da leiten der alte Hase Emmerlich und seine neuste Kollegin, Playboy-Covergirl Sophia Thomalla mit geistreichen Sprüchen wie „Eines ist sicher, Herr Tillich, der Semperopernball gehört zu Sachsen!“ zu weniger heiklen Themen wie der selbstverständlich verdienten Krönung des Semperopernballs über. Von draußen konnten die Kaiserfans, während sie auf den Mitternachts-Act warteten, nämlich nicht nur über die Leinwand den Innengästen beim Feiern zusehen: Um 23 Uhr gab es ein Glas Sekt für alle und später eine mehr schlecht als recht laufende Auktion für einen „noch nicht feststehenden guten Zweck“: Das Bild „Das Wasserkleid“ (Marktwert 45000 Euro) wurde schleppend von zehntausend auf elf-, dann auf zwölftausend Euro geschaukelt. Nachdem die Debütanten ihre Pflicht getan hatten, war es dann endlich soweit: Draußen und drinnen wurde im Takt von Roland Kaisers mitreißender Musik getanzt. Der Kaiser von Dresden hatte übrigens völlig überraschend (wie Helene Fischer und Udo Jürgens als Mitternachtsacts von 2012 und 2014 vor ihm) noch schnell einen St.Georgs-Orden abgestaubt.
Schön wärs, wenn Roland Kaiser wenigstens nach der Verleihung dem Ordensspruch Rechnung trüge. Sinnigerweise heißt es im neuen Kaiserwalzer: „Ein Florenz an der Elbe, hier bleibt niemand derselbe.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt.