Der allerheiligste Palmsonntag schien in Gefahr und mindestens das im sächsischen Elbtal gelegene Abendland, als bekannt wurde, dass die Dresdner Staatskapelle nach dem plötzlichen Wechsel der Berliner Philharmoniker von Salzburg gen Baden-Baden die Bespielung der renommierten Osterfestspiele übernehmen und ihr Chefdirigent Christian Thielemann der Künstlerische Leiter dieses Elite-Festivals werden würde. Man hat ihm das Elitäre sehr rasch genommen und sich, ohne die bisherige Stammkundschaft zu vergraulen, mit dem „Konzert für Salzburg“ sowie der „Kapelle für Kids“ auch in die Herzen der Einwohner gespielt. Die internationalen Gäste des 1967 durch Herbert von Karajan ins Leben gerufenen Musikfestes haben Thielemann und die Kapelle ja sowieso schon in die teuren Herzen geschlossen.
Nur in Dresden grämte man sich, denn was sollte wohl nun aus den ach so geschätzten Palmsonntagskonzerten werden? Bisher sorgte Barockexperte Reinhard Goebel jedoch zuverlässig für besten Ersatz und hatte dabei namhafte Solisten sowie den Dresdner Kamerchor an seiner Seite. Künftig soll dieses Engagement – alles andere als ein simpler Ersatz – wohl noch ausgebaut werden. Denn das Dresdner Vorzeigeorchester dürfte ziemlich sattelfest in der Mozart-Stadt sitzen, obwohl immer mal wieder darob spekuliert wird, auch „heuer“, wie sich diese Tatsache nach dem 11. Mai 2015 gestalten wird. An diesem Tag wird, wenn alles läuft wie geplant, weißer Rauch vom Berliner Scharounbau aufsteigen: habemus dirigentam. Thielemann kann derlei Spekulationen schon lang nicht mehr hören und verdreht gerne die Augen, falls er doch wieder einmal danach gefragt wird. Er fühle sich in Dresden sehr wohl, argumentiert er fast schon rhetorisch, und stellte am vorigen Sonntag in Salzburg noch einmal sehr deutlich fest: „Wir sind hier!“
Neu ist, dass nun auch der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka (wieder) in Salzburg sein wird. Vom Juli an übernimmt er als Intendant die Geschäfte der Osterfestspiele und kehrt damit an einen ihm vertrauten Ort zurück. Schließlich ist er bereits von 2001 bis 2006 Intendant der Salzburger (Sommer-)Festspiele gewesen.
Ganz neu wird unter der Doppelspitze Ruzicka/Thielemann das Debüt des Dresdner Kreuzchores zu den Osterfestspielen 2016 erfolgen und diesen Knabenchor im Jahr seines 800. Geburtstages in Salzburg auftreten lassen. Im nächsten „Konzert für Salzburg“ werden die Kruzianer unter Leitung von Roderich Kreile Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe in der Urfassung aufführen. Und noch ein Novum gilt es zu vermelden, dass die beiden Partnerstädte enger zusammenschweißen dürfte: Am 2016 tritt Volkswagen an die Stelle des bisherigen Hauptsponsors der Osterfestspiele. Keine Frage, dass damit auch der in Dresdens Gläserner Manufaktur beim langjährigen Partner der Staatskapelle gefertigte Phaeton wesentlich präsenter zum Salzburger Stadtbild gehören wird.
Das sind allerdings alles keine Einbahnstraßen, denn jede Bewegung bringt auch eine Gegenbewegung mit sich. Daher dürften sich nicht zuletzt die nimmersatten Touristiker an der Elbe über die Präsenz von Kapelle, Kruzianern und Limousinen sehr freuen, wird doch der zu vermarktende Ruf ihrer Stadt an der Salzach um ein Vielfaches potenziert. Denn hier trifft sich tatsächlich die Welt. Nicht nur am Sonntag.
Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst