Lauthals war ein gewisser „Sir Price“ angekündigt gewesen. Es kam aber jemand anders. Anfang Mai bestieg die Sängerin Miss Platnum die Bühne im Festspielhaus Hellerau. Eingeweihten mag sie ein Begriff gewesen sein, andere mögen auf Überraschungen gehofft haben, Skeptiker wurden in ihren düsteren Vorahnungen mehr als bestätigt. Die Dame hätte sich bei diesem Konzert eigentlich freuen dürfen, wie sehr von ihrem (musikalischen!) Format abgelenkt worden ist: das Ring-Trio wertete die durchweg auf Dudelfunk-Niveau gehaltenen Vorlagen kräftig auf. Allein an den beinahe beleidigend blöden Texten mit abenteuerlich dämlichen Reimen konnten auch Simon Slowik mit seinen stimmungsvollen Tastenvariationen, Felix Otto Jacobi tiefschürfend am Bass und Demian Kappenstein nebst zügelloser Schlagzeugerei nichts ändern.
Miss Platnum ist eine Stimmungskanone, heißt eigentlich Ruth, kommt aus den Karpaten und lebt seit langem in Kreuzberg. Von all dem singt und reimt sie auch, mal geht es um Wölfe, meist aber um Liebesver(w)irrungen im Dschungel der Großstadt. Sie mischt eine Menge Zahlensalat in ihre Songs und erklärt dem geduldigen Publikum auch gern, warum sie in zwei Mikrofone singt. Angeblich liegt das an den Tonarten, aha. Keinen ihrer Vorstadttankstellen-Titel macht das auch nur einen Deut besser. Dennoch reißt sie das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Das ist die eigentliche Überraschung des Abends.
Oder nicht? Lang nach der Pause, während der man sich zum Bleiben mannhaft hat zwingen müssen, bricht in den vom Ring-Trio aufgehübschten Platnum-Pop so etwas wie Brass ein. Blasmusik vom Feinsten, also von der Banda Comunale. Die übernimmt den Sound, lässt das krampfig noch- und nochmal wiederholte Gereime vergessen und füllt den Raum mit oratorischen Orgien. Leider ist da das Konzert schon fast wieder vorbei. Nächsten Montag bläst diese Combo gewiss wieder den Leuten von Peggy-war-nie-da den Marsch. Auch dafür gebührt ihr Respekt!
Die seit knapp zehn Jahren bestehende Reihe Feature-Ring, gestartet im Studentenklub Aquarium, mit namhaften Gästen durch Dresdens Spielstätten gezogen, inzwischen in Hellerau angekommen und dort gut etabliert, sie hat zumeist wesentlich bessere Abende als diesen geboten. Und wird dies in der nächsten Zukunft ganz sicher auch wieder tun. Am 8. Juni hat sie den französischen Klarinettisten Louis Sclavis als Gast, Anfang September kommt die tschechische Geigerin, Sängerin und Schauspielerin Iva Bittova ins Festspielhaus, gefolgt von Silvan Strauss, einem Trommler und Rapper aus Hamburg, bevor dann am 23. November – jetzt schon mal vormerken! – der norwegische Trompeter Arve Henriksen das Feature-Ring-Konzert Nummer 70 anstimmen wird. Überraschungen sind also Programm in dieser absolut weltoffenen Jazzreihe, die weichgespülten Pop gar nicht nötig hat. Aber sie kann ihn sich leisten. Auch das ist durchaus ein Verdienst.