Eigentlich gibt es nur gute Nachrichten. Mit Hinweis auf eine tolle Bilanz der vergangenen Saison kann Intendant Manuel Schöbel zu Beginn der Vorstellung der neuen Saison beginnen. Insgesamt 188.554 Zuschauerinnen und Zuschauer besuchten in der Spielzeit 2014/2015 Aufführungen der Landesbühnen Sachsen. Das waren 16.000 mehr als in der Saison zuvor. Das macht Mut, das ist ein guter Anlass für eine neue Runde, auch das Haushaltsjahr sieht bislang gut aus, also: Vorhang auf für die neue Saison!
Und so präsentieren Schöbel und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Spielplan mit Produktionen unterschiedlichster Formate und Ansprüche, bei dem die Theatermacher die Weltsituation aufnehmen und mit ihren Mitteln reflektieren wollen. Dabei wieder etliche außergewöhnliche Projekte, bei denen die Akteure ihre Bühnen verlassen und sich dahin begeben, wo sie die Menschen direkt und unkonventionell erreichen können. Natürlich, um sie dann zu motivieren, auch in die Theater zu kommen oder an jene Orte, wo die Landesbühnen in Kooperationen mit anderen Einrichtungen präsent sein werden.
Das jetzt von Steffen Pietsch geleitete Junge Studio der Landesbühnen führt beispielsweise seine „Invasionsprojekte“ weiter, das sind unangemeldete „Einfälle“ in Schulen mit eigens konzipierten Stücken, die den Alltag unterbrechen und natürlich auch Lust machen sollen die eigens für das junge Publikum inszenierten Produktionen in den Spielstätten zu besuchen. Viele Facetten für so gut wie alle Altersgruppen werden im Angebot sein, Theater, Tanz und Musiktheater. Letzteres bietet ab 20. September eine musikalische Uraufführung von Hans-Peter Preu nach Samuil Marschaks bekanntem Kinderbuch „Das Katzenhaus“ in der Inszenierung von Klaus-Peter Fischer, dem Begründer des Jungen Studios.
Wencke Kriemer de Matos kreiert als Uraufführung ein Tanzstück nach Michael Endes Buch „Momo“; Premiere ist am 28. November. „Die Welt ist rund“ heißt eine Gemeinschaftsproduktion von Schauspiel und Figurentheater für die Kleinsten, ab vier Jahre, nach dem Text „The World is Round“ von Gertrude Stein. Regie führt Odette Bereska, Premiere ist am 26. März 2016. Weitere Stücke kommen ins Repertoire, Erfolge werden weiter gespielt, Workshops, Festivals und kommen dazu. „Oper im Klassenzimmer“ heißt ein Format, bei dem Operndirektor Jan Michael Horstmann mit Sängerinnen und Sängern zu den Schülern kommt.
Jan Michael Horstmann wird auch eine so ungewöhnliche wie spannende Uraufführung des Musiktheaters und der Elbland Philharmonie in HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste dirigieren. „Copernicus“ heißt die als Auftragswerk entstandene „Opera speziale“ des in Hamburg geborenen und in Berlin lebenden Komponisten Oliver Korte. Ein Werk in fünf Akten für Sänger, Chor und Orchester mit Videoprojektionen von Julius Günzel, keine Handlungsoper, die sich an der Biografie des Copernicus orientiere sei zu erwarten, so Korte, sondern eine „Wissenschaftsoper“, bei der die Umläufe der Planeten um die Sonne im Mittelpunkt stehen. In einer speziellen Raumkomposition kreisen die Bläser des Orchesters als Wandelsterne um das in den Kosmos integrierte Publikum. Im Mittelpunkt, als Sonne gewissermaßen, 48 Streicher und der Dirigent. Korte hat in mehr als dreijähriger Arbeit Texte des Copernicus mit zwei Texten des 20. Jahrhunderts kombiniert. Musikalisch schlägt er einen Bogen vom Madrigal der Renaissance bis hin zu akustisch bearbeiteten Radiosignalen. Welcher Ort wäre für ein solch außergewöhnliches Projekt besser geeignet als das von Heinrich Tessenow errichtete Festspielhaus in Hellerau? Premiere ist am 3. Oktober. Mit der Premiere der Operette „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss feiert das Musiktheaterensemble der Landesbühnen die 20jährige Zusammenarbeit mit dem König Albert Theater in Bad Lauchstädt. Ein musikalischer und ästhetischer Gegensatz, aber gut verankert im Spielplan der Landesbühnen mit dem Anliegen, in jeder Saison den Reichtum der Facetten in den Formaten des Theaters auszureizen. Premiere in Bad Lauchstädt ist am 30. Oktober.
Die Liebhaber der großen Oper kommen auf ihre Kosten bei den weiteren Premieren im Radebeuler Stammhaus, Verdis „Don Carlo“ in der Inszenierung von Michael Heinicke gibt es ab 16. Januar 2016. Manuel Schöbel inszeniert gemeinsam mit der Choreografin Ute Raab Bizets „Carmen“, Premiere ist am 9. April nächsten Jahres. Und die Saison auf der Felsenbühne in Rathen? Sie brachte fast ausnahmslos ausverkaufte Vorstellungen. Ab 11. Juni 2016 gibt es dort „Die Zauberflöte“ von Mozart, diese Premiere macht Operndirektor Jan Michael Horstmann zur Chefsache, er gibt als Dirigent nicht nur den Takt vor, sondern sagt als Regisseur auch, wo es lang geht. Schon am 28. Mai kommt die Tanzproduktion „Momo“ in eigens für den besonderen Ort bearbeiteter Fassung von der großen Bühne in Radebeul auf die noch größere in Rathen.
Ab 25. September stellt sich mit sechs neuen Tänzerinnen und Tänzern die von Carlos Matos geleitete insgesamt 12köpfige Company der Landesbühnen mit einem neuen Format vor. „Obsession“ heißt der Abend, für die Tänzerinnen und Tänzer die Choreografien für sich und ihre Kollegen selbst entwickelt. Der Chef bringt dann, am 30. Januar, mit „Hamlet“ die Uraufführung seines Tanztheaters nach William Shakespeare auf die große Bühne des Radebeuler Stammhauses. Im Rahmen der 25. Tanzwoche Dresden ist für den 29. April ein weiterer Tanzabend von Carlos Matos angekündigt, „Silent Movis – Stille Illusionen“. Dieser von der Ästhetik des Stummfilmes angeregte, tragikomische Abend „entführt in ein Panoptikum der Sinne einer glanzvollen Ära.“ Nach dem Erfolg in diesem Jahr wird auch die Radebeuler Company wieder Gastgeber für die Jubiläumsgala der Tanzwoche sein, das Tanzland Sachsen stellt sich gemeinsam mit Beiträgen von internationalen Gästen am 25. April vor. Im Radebeuler Repertoire bleibt u.a. der mit den ersten Sächsischen Tanzpreis ausgezeichnete Tanzabend „Brel“ von Carlos Matos.
Das Schauspielensemble eröffnet am 17. Oktober seine Saison mit einem Dauerbrenner des unterhaltende, heiteren Theaters, mit dem unverwüstlichen Schwank „Charleys Tante“ von Brandon Thomas. Regie führt Uta Koschel.
„Hase und Igel“, als Schelmengeschichte für Kinder ab 4 Jahre, von Peter Ensikat bringt Olaf Hais, vielen noch bekannt als Schauspieler des Ensembles, jetzt als Regisseur mit seinen Kollegen, ab 26. November, auf die Bühne des Tom-Pauls-Theaters in Pirna.
Es war das Kultstück zur Zeit der Wende in Dresden im Kleinen Haus des Staatsschauspiels. Aufbegehren vor dem Mauerfall. Im April 1989 wurde „Die Ritter der Tafelrunde“ von Christoph Hein in der Inszenierung von Klaus Dieser Kirst uraufgeführt. Die Ritter waren für das Publikum klar erkennbar die DDR-Politiker, der Heilige Gral der Kommunismus. Diese Ritter wurden für das Volk Narren, Idioten und Verbrecher, so der Theaterkritiker Georg Hensel. Intendant Manuel Schöbel inszeniert 27 Jahre später das Stück als Parabel einer Sinnsuche zu globalen Überlebensfragen. Daher wird diese Tafelrunde international besetzt sein, zu den Rittern aus Radebeul kommen Kollegen aus England und Kuba. In Camagüey in Kuba, am Tetro del Viento wird auch die kubanische Erstaufführung dieses Stückes stattfinden. Premiere in Radebeul ist am 5. März. Schon am 9. Oktober kommt es in der Reihe „Zu Gast bei Freunden“ im projekttheater Dresden zur Fortsetzung der mit Oscar Wildes „Salome“ begonnenen Kooperationsarbeit. Zur Aufführung kommt erstmals das Schauspiel „Sehnsucht Kuba“ von Freddys Núñez Estenoz. In dieser Gemeinschaftsarbeit des von Arne Retzlaff und Karoline Bischoff geleitetem Theater Meridian und dem Teatro del Viento, fragen sich in der DDR sozialisierte Menschen auf Kuba, konfrontiert mit den Erfahrungen einer zurückgekehrten Exilkubanerin, was sie wirklich suchen, auf ihrer Reise in den karibischen Sozialismus. Regie führt Arne Retzlaff.
Wer ist wer, und wer weiß von wem mit wen er´s oder sie treiben, so könnte man Molieres barockes, frivoles Spiel „Amphityon“ aus dem Jahre 1688 beschreiben. Moliere lässt uns über Dinge, über die man normalerweise am liebsten schweigt, gerne lachen, so auch hier. Und einer der es versteht das Publikum lachen zu lassen, nicht zuletzt auch über sich selbst, und darüber dann wiederum zu schweigen, ist Radebeuls Schauspieldirektor Peter Kube. In seiner Inszenierung kommt Molieres Komödie am 22. April heraus. Peter Kube war es auch, der gemeinsam mit Lars Jung 1987 im Großen Haus des Dresdner Staatsschauspiels in Wolfgang Engels Inszenierung von Samuel Becketts „Warten und Godot“ uns dieses tragikomische irritierende Lächeln vermittelte im Spiel der ungestillten Fragen nach dem Sinn des Lebens. Jetzt, 28 Jahre später, bringt er als Regisseur Becketts Spielarten derer auf die Bühne, die auf irgend einen Ersatzgott warten, dass er ihnen den Sinn ihres Daseins erschließe. Immerhin, diese Wartenden stellen noch die Frage nach dem Sinn, im Gegensatz zu denen, die in dieser göttlichen Komödie der Neuzeit die kalte Brutalität des Daseins als selbstverständliches Spiel betreiben. Godots Stück eröffnet am am 13. November das Radebeuler Theaterspektakel, „Irrtümer II – Utopien“, in drei Zeitebenen, in denen die Zuschauer wählen können zwischen neun Angeboten ganz unterschiedlicher Art. Die große Lust zu irren, könnte man es nennen, was hier spartenübergreifend, getanzt, gesungen und gespielt zu erwarten ist.
So ungewöhnlich der Beginn des zweiten Spektakels, so auch der Abschluss mit der Premiere eines Dramoletts von Peter Hacks in Zusammenarbeit mit der Elblandphilharmonie: Zwei Genies treffen in „Die Höflichkeit der Genies“ aufeinander, Albert Einstein und Yehudi Menuhin. Was die Absurdität des Stückes angeht, dürfte sich der Bogen vom Beginn des Abends her schließen, und wenn sich über dem Spiel der Ausnahmebegabungen, wie sie Hacks auferstehen lässt, der Vorhang schließt, dann öffnet er sich für das Orchester: mit Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-moll klingt dieser Abend aus. Torsten Janicke ist der Solist.
So lässt sich dieses Spektakel augenzwinkernd für die ganze Spielzeit mit seinen insgesamt 26 Premieren verstehen, denn solches Theater macht Lust auf Irrtümer. Musik, Tanz, Theater in seinen vielen Facetten, an unterschiedlichen Orten, fragt nach Utopien von heute und hinterfragt sie im gleichen Moment. Dazu lädt Manuel Schöbel mit dem gesamten Ensemble ein: „Staunend im Dunkel des Theaters“ zu sitzen, und zu ahnen, „der Stein der Weisen ist ein zuckender Muskel.“