Das vierte Staatskapellkonzert der Saison stellte ein Programm vor, das eigentlich unter dem Thema „Musik des Meeres“ stand. Drei Werke zeigten Meeresstimmungen verschiedener Art. Am Ende aber erklang zu Ehren des finnischen Meister Jean Sibelius dessen 1.Sinfonie.
Am Anfang stand Sergej Rachmaninows „Toteninsel“ nach dem Gemälde von Arnold Böcklin, das ab 1886 die Gemüter in Europa bewegte. Max Reger nahm sich 1912 der musikalischen Auslegung des Bildes an. Ein düsteres Tongemälde! Die schon 1909 in Dresden komponierte Betrachtung von Rachmaninow ging von einer Schwarz/Weiß-Fassung des Gemäldes vom Leipziger Max Klinger aus, die den russischen Komponisten inspirierte. Die Düsternis des Bildes erhält bei ihm eine andere, lebendig leidenschaftliche Gestaltung, die der Dirigent des Abends, der Schotte Donald Runnicles, vorstellte. Mehr stürmisch als verhalten glitt der Totenkahn, von Runnicles Schlag angetrieben, der von Zypressen bewachsenen Felseninsel zu. Kaum erkannte man in der unruhig dynamischen Musik die Friedhofsruhe, die erst am Ende mit dem „Dies irae“- Motiv des Requiems so recht hörbar wurde. Die Aufführung lebte von der plastischen Gestaltung und ließ nur gelegentlich das Grundthema des Abends durchblicken.
Stärker schon trat es in den fünf „Sea Pictures“ von Edward Elgar nach englischer Zeitdichtung für Mezzo und Orchester hervor. Hier wirkt das Meer in seiner symbolischen Vielgestaltigkeit. Zur Freude des Publikums kam hier einmal die menschliche Stimme zur Geltung. Die weltbekannte schottische Sängerin Karen Cargill akzentuierte mit ihrer schon mehr ins Alt-Register deutenden Stimme eine teils lyrische, teils dramatische Gestaltung dieser klangvollen Lieder aus dem Jahre 1899.
Zur gleichen Zeit arbeitete der finnische Komponist Jean Sibelius an seiner 1.Sinfonie. Nach Studien in Berlin, Wien, Petersburg und Moskau wandte er sich nach 1890 national finnischen Themen zu, um gegen die russische Vorherrschaft in den finnischen Landen Stellung zu beziehen. Er nahm sich der nationalen Sagenwelt der „Kalevala“ an, fasste sie in Tondichtungen musikalisch. Und mit „Finlandia“, einem markanten Aufruf zu finnischer Selbstständigkeit von 1899, gelang ihm ein musikalisches Manifest, dessen Haltung auch in der zur gleichen Zeit entstandenen 1.Sinfonie nachklingt. Unter den Händen von Donald Runnicles und mit dem flexiblen Ton der Staatskapelle entstand ein mitreißendes sinfonisches Klangbild, in dem die nachbeethovensche Sinfonik zusammengewachsen ist mit der Tschaikowskischen Motivik der „Pathetique“. So gelang dem knapp 32jährigen Komponisten ein erster überzeugend selbstständiger Schritt als Sinfoniker. Sechs solcher Werke würden noch folgen.
Die Aufführung begeisterte das Publikum, das hierin eine echte Ehrung zum 150. Geburtstag des finnischen Meisters erlebte. Leidenschaftlich brach sich der eigene Ausdruck Bahn. Runnicles gelang es, diese in „Finlandia“ thematisch gefestigte, eigene Klangsprache mit dem Orchester treffend heraus zu arbeiten. Das war beeindruckend !
Friedbert Streller
Weitere Aufführungen am 30.11. und 1.12.2016.