Sinfoniker wie Beethoven, Brahms und Bruckner prägten früher vorwiegend die Programme der Sinfoniekonzerte. Inzwischen nimmt Gustav Mahler auch einen bedeutenden Platz in der sinfonischen Aussage ein. Davon konnte man sich am vergangenen Wochenende im philharmonischen Konzert mit Mahlers 3.Sinfonie in d-Moll ein bewegendes Bild machen. Das abendfüllende Werk, dessen 1. Satz allein die Länge einer Sinfonie von 40 Minuten hat, offenbarte, was der Komponist meinte, wenn er davon sprach: „Mir heißt Sinfonie: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik mir eine Welt aufbauen!“.
Der zukünftige Chefdirigent des Brucknerorchesters Linz, Markus Poschner, übernahm umsichtig die Leitung des gewaltigen Werkes, dieses Lebensbildes von der Wende zum 20. Jahrhundert. Bereits der 1.Satz vermittelt in einem groß angelegten Marsch, der – wie Alma Mahler überlieferte – von einer Demonstration Wiener Arbeiter auf der Ringstraße angeregt worden sei. Aber das war nur wie ein Einstieg in ein Lebensbild, das auch andere Seiten offenbart wie ein Naturbild im Stil eines Menuetts beim 2. Satz oder in einem burlesken Tanz im scherzohaftem 3. Satz mit einem Posthornsolo aus der Ferne. Auch die menschliche Stimme trat hinzu im misterioso gehaltenen langsamen Satz nach einem Text von Nietzsche mit Lioba Braun als Mezzosopranistin. Der Frauen- und Kinderchor nahm im 5. Satz einen Text aus »Des Knaben Wunderhorn« auf, einen Gesang der Engel. Ein Adagio beendet die Sinfonie mit ausdrucksstarker Kraft ähnlich jenen Adagiosätze von Beethoven bis Bruckner. So spannte sich ein Lebensbogen von tief bewegender Gestaltung, die am Ende zu atemloser Stille verharrte. Begeisterter Beifall, lang anhaltend lohnte eine Aufführung, die so schnell keiner vergisst, der sie miterlebte.
Wer hier und da eventuell an Schostakowitsch erinnert wurde, dann zeigt das genau jene Richtung an, in der die Mahlersche Sinfonik sich entwickeln konnte. Und die letzte Sinfonie ist noch nicht geschrieben. Mahler stand am Anfang einer Entwicklung, die nach wie vor nach dem Sinn des Lebens fragt. Er hat sie immer wieder gestellt, hat sich „eine Welt aufgebaut“, an die Zuhörer Anteil nehmen sollen. Tief berührend wirkte das auch in dieser Aufführung.