Die Musik von Nive ist ein ungeschliffener Diamant. Er funkelt in verschiedenen Farben, in dunkel getöntem Grün und Blau, wie auch ihre Liedtexte über Grönland und das Reisen. An manchen Stellen blitzen helles Licht und etwas Glitzerstaub hervor, besonders in der Stimme. Singt Nive, stehen interessant tief gehaltene blue notes engelsgleichen Melismen gegenüber. Hier und da klingt das Grönländische in ihrer Sprache oder der Skalierung durch. Nives tragende Stimme erzählt in angenehm weichen Tiefen die Geschichten der Songs. Manchmal nutzt sie ihre füllige Tiefe, um sich von dort hauchig oder in schlanken Linien durch die minimalistisch aufblühenden Klangteppiche der Band in die Höhe zu schlängeln.
Folk, Pop, Rock und Feenstaub
Die Klänge der Deer Children leben durch eine aufblühende Andersartigkeit und überraschende Wendungen. Mal kantig, mal butterweich füllten die Instrumente am Dienstagabend die Dreikönigskirche. Das Tempo ist an den Liedtexten und der Geschichte der Songs orientiert, prinzipiell aber langsam und bewusst gesungen und gespielt. Die Musik war allen Instrumentalisten spürbar das Herzensanliegen des Abends, und so interpretierten sie die Songs auch auf harmonische Weise miteinander. Einordnen möchte man diese Mischung aus Folk, Pop, Indie-Rock und Feenstaub gar nicht. Persönlich, handgemacht, authentisch.
Die Lieder handeln von fremden Orten, dem nordischen Wind, Grönland, Reiseerinnerungen, die der Sängerin nicht mehr aus dem Sinn gehen, dem Kreislauf des Lebens, dem, was Nive manchmal in ihrem Kopf hört wenn es um sie still wird, über eigenes und fremdes Begehren. Einer der beeindruckendsten Songs war den talentierten grönländischen Zwillingen mit ihrem ansteckenden Lächeln gewidmet, die die Musiker öfter im Studio besuchten – und inspirierten. In so gut wie jedem Lied erlebt das Publikum ein natürliches Anschwellen der Musik und Intensität; meist setzt die Stimme auf fragile Weise ein und findet sich im Laufe des Songs, blüht auf. Besonders auffällig war dies bei einem Lied, welches die Sängerin ausführlicher ankündigte: mit zarter Stimme, aber einer felsenfesten Überzeugung präsentierte sie ein Protestlied gegen die Erdölförderung im Atlantik.
Im Konzert kamen diverse Instrumente zum Klingen. Neben Banjo, einer kleinen Pedal-Steel-Gitarre, Drums, einer Reisegitarre in Ukulelengröße, verschiedenen Pfeifen und einer Tröte, einem mal elektrisch verzerrten korpuslosen Bass, der singenden Säge des Gitarristen und anderen instrumental erzeugten Effekten schmiegte sich vor allem der Gesang der 37-jährigen Sängerin ins Ohr.
Verabschiedet haben sich Nive und ihre Band mit einem eingängigen Folksong aus Kanada namens »Willow Tree«. Hier geht es um die Idee des Sterbens und der damit ermöglichten Freiheit die die Seele erfahren kann, wenn der tote Körper dann in einem Boot, mit Benzin entzündet, auf das Meer hinausgestoßen wird.
Dies war bereits das dritte Konzert der grönländischen Sängerin, und wird hoffentlich nicht das letzte bleiben. Wer Lust auf Musik aus aller Welt verspürt, kann im Programm der Konzertreihe fündig werden: in den kommenden Wochen werden musikalische Gäste aus Frankreich, Armenien, Bulgarien, Ungarn, Norwegen, den USA, Irland, Schweden, Afrika, Spanien, Argentinien, Portugal, Indien, Kuba, Spanien, Russland, Dänemark und der Schweiz erwartet.