Im Novemberkonzert der Philharmonie mit Michael Sanderling erklangen zwei Werke der sowjetischen Musik der 30er Jahre des 20.Jahrhunderts: die 5.Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch und das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan. Beide Komponisten sind fast gleichaltrig, aber aus verschiedenen biographischen Gegebenheiten stammend. Chatschaturjan (geb.1903) kam aus dem transkaukasischen Armenien, Schostakowitsch (geb.1906) aus dem europäischen St. Peterburg. Und so verschieden sind auch die schöpferischen Ansätze. Chatschaturjan, der mit seinem Klavierkonzert von 1936 den Weg in die Öffentlichkeit fand, arbeitete an einem von armenischer und georgischer Folklore getragenen Ballett um die Baumwollpflückerin Gajaneh, als er sein Violinkonzert für David Oistrach konzipierte. Die nationalenTänze und Lieder prägten auch den Grundton seines Konzertes. Die hoch begabte Musikerin Julia Fischer aus München verstand es, das Chatschaturjankonzert vital und rhythmisch prägnant zu interpretieren, fühlte sich in das Werk ein, so dass schon die Kadenz des 1.Satzes wie eine eigene Improvisation wirkte und der langsame Mittelsatz im Stile eines transkaukasischen Volkssängers, eines Aschugen, verinnerlicht und in Ruhe ausgespielt werden konnte. Das war fantastisch. Die Geigerin, die auch die tänzerischen Züge der Ecksätze mit bewundernswerter Bravour bewältige, wurde umjubelt. Mit einer der bekanntesten Capricen von Paganini stellte sie ihre Perfektion in der Zugabe hinreißend vor. Was hier auf musikantische Spielfreude orientiert war, das fand bei Schostakowitsch in seiner legendären „Fünften“ mehr eine tief berührende Ausdruckskraft. Der Komponist, der nach seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ erfolgreich in verschiedenen Städten der Sowjetunion gefeiert wurde, erhielt auf Betreiben Stalins in der „Prawda“ einen Verriss. Das war für den erfolgssicheren Schostakowitsch ein herber Schlag. Seine gerade in Arbeit befindliche monumentale „Vierte“ vollendete er zwar, aber zog sie noch bei der Generalprobe in Leningrad zurück; erst 1961 wurde sie aufgeführt. Seine Schaffenskraft erlahmte nicht. Als „Dennoch“, oder – wie es offiziell hieß – als „Antwort auf eine gerechte Kritik“ schrieb er die „Fünfte“. Und dies Werk erklang nun unter Michael Sanderling neben dem Chatschturjankonzert. Der Dirigent, der von seinem Vater über die Lebens- und Leidensgeschichte des Komponisten bestens informiert war, gab der Interpretation entsprechende Akzente. Im ersten Satz, dem schicksalhaften, in dem das Tragische, dem gegen „das Schicksal“ sich Erhebende Ausdruck findet, wird das abwärts sinkende Hauptthema am Ende gewandelt „optimistisch“ aufwärts geführt. Ein burlesker Ländler im Stile Gustav Mahlers erhielt hier in der Interpretation fast groteske Züge, die in der Ernsthaftigkeit des 3.Satzes, eines Largo aufgehoben wurde, jene leidgeprägten Stimmungen widerspiegelt, die in diesen Jahren der Verfolgungen viel Menschen in Russland zu erdulden hatten. Das war tief berührend, bedrückend, so dass der Komponist im Finale mit Marschthematik Vitalität zu erwecken sucht. Aber am Ende (mit einem dissonanten Akkord im dreifachen Fortissimo vor dem erwartetenD-Dur) entlarvt er sie als äußerlich. Dafür akzentuierte Michael Sanderling die Pauken und die große Trommel am Schluss provokant vordergründig (?). Mit großer Spannung und Mitgefühl wurde die Aufführung wahrgenommen und schließlich langanhaltend, begleitet von Bravorufen, begeistert gefeiert.
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