Die Musikerinnen und Musiker der Sächsischen Staatskapelle sind trotz deutscher Lufthansa wohlbehalten und beglückt von ihrer jüngsten Asien-Tour zurückgekehrt. Im Gegensatz zu sonstigen Ausflügen in den Fernen Osten war diese zehntägige Reise eine »Tokio-Residenz«, die ausschließlich der japanischen Hauptstadt und deren vor genau 30 Jahren eröffneter Suntory Hall galt. Die ist 1986 der erste Bau gewesen, der in dieser Megametropole ausschließlich für die klassische Musik geschaffen wurde. Seit Anfang 1989 ist die Staatskapelle hier regelmäßig zu Gast. Zum Geburtstag trat sie nun mit ihrem 25. Auftritt in der weltberühmten Konzertstätte an.
Finanziert wurde die Suntory Hall damals und betrieben wird sie heute vom Getränkeproduzenten gleichen Namens. In Details der Innenausstattung spiegelt sich das sogar wider: Kronleuchter im Saal erinnern an Champagnerkelche, das samtige Rot des Gestühls lässt an schwere Rotweine denken, nicht zuletzt ist die Innenanlage der Platz für gut 2.000 Menschen bietenden Halle als ‚Weinberg‘ angelegt. Dies freilich aus akustischen Gründen und erst nach Ratschlägen von Herbert von Karajan.
An diesem besonderen Ort eine Residenz abhalten zu dürfen, das ist auch für die erfolgsverwöhnte Staatskapelle etwas Besonderes. Anlässe dafür gab es – neben dem 30jährigen Bestehen der Suntory Hall – gleich in mehrfacher Hinsicht. Da sind die wechselseitigen Verbindungen zu Maestro Karajan, der die Kapelle ja ebenfalls sehr schätzte, und dessen 1967 ins Leben gerufenen Osterfestspiele Salzburg, deren Residenzorchester seit 2013 nun ebenfalls die renommierte Kapelle ist. Da ist deren Chefdirigent Christian Thielemann, der einst als Karajans Assistent künstlerische Prägungen erhielt, und da ist nicht zuletzt Karajans Tochter Isabel, deren Projekt »Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch« 2014 zu den Internationalen Schostakowitsch-Tagen Gohrisch herauskam und seitdem – via Salzburg und Israel – einen Siegeszug um die Welt antreten konnte.
Isabel Karajan ist in Japan natürlich äußerst beliebt, folglich kam auch das als Experiment gewertete Kammerstück aus russischer Avantgarde-Literatur und einer vom Dresdner Streichquartett mit dem Pianisten Jascha Nemtsov vorgetragenen Verschmelzung von Schostakowitsch-Kompositionen hier bestens an.
Überhaupt scheint das Tokioter Publikum wesentlich weiter zu sein als manche Teile des deutschen: Es ist nicht nur offen für Fremdes, sondern lädt mit unstillbarer Neugier geradezu ein, sich von westlichen Einflüssen bereichern zu lassen.
Das ist dieser „Leistungsschau“, wie Orchesterdirektor Jan Nast das Gastspiel umriss, auch bestens gelungen. Mit zwei halbszenischen Aufführungen von Richard Wagners »Rheingold« unter der musikalischen Leitung des Chefdirigenten sowie mit einem erstklassigen Solistenensemble, das ebenso wie Kapelle und Dirigent einhellig gefeiert worden ist. Eine Besetzung von Weltklasse, die in der Regie von Denis Krief auf erhöhten Podesten hinter dem Orchester agierte und dort eine psychologisch komprimierte Version dieses ‚Vorabends‘ zeigte. Das wirkte überzeugender als so manche groß ausgestattete Bühnenfassung mit allerlei Brimborium und Rampentheater. Musikalisch dürfte ein Querschnitt dieser beiden Abende CD-reif gewesen sein: Gesangskunst vom Feinsten (bei 14 Solisten mag auf eine Namensnennung verzichtet sein dürfen, sonst müssten hier 14 Namen genannt werden), ein absolut durchsichtig musizierender Klangkörper, dessen Geltung im Vergleich zum Grabenklang in seiner Brillanz noch einmal gestärkt wurde.
Diese mit viel Spannung erwartete und überwiegend ausverkaufte Residenz der Dresdner in Tokio ist mit zwei Orchesterkonzerten gekrönt und mit einem Konzert des aus Stimmführern und Solobläsern der Kapelle bestehenden Dresdner Oktetts gewürzt worden. Beethoven und Schubert gab es da in fesselndem Miteinander von solistischem Können und Ensemblespiel.
Hier wie da war ein sehr konzentriertes Publikum zu erleben, das die kurzfristige Absage des angekündigten Pianisten Yefim Bronfman hinnahm (Lücken im Publikum waren allerdings – bei heftigen Kartenpreisen auf Salzburger Level – nicht zu übersehen) und den dafür eingesprungen Kit Armstrong heftig feierte. In Ludwig van Beethovens Klavierkonzerten Nr. 2 und Nr. 5 legte er unterschiedliche Temperamente in die Tasten und wurde bei seinem teils extravaganten Spiel vom Orchester perfekt unterstützt. Die mit wandlungsvoll feinem Sound und technischer Akkuratesse vorgetragene Perfektion der Sächsischen Staatskapelle überzeugte Tokios Suntory-Publikum nicht minder in der »Alpensinfonie« von Richard Strauss sowie in Tschaikowskis »Romeo und Julia« und Liszts »Les Préludes«. Wagner gab es als Zugabe, damit schloss sich ein musikalischer Kreis, der mit »Rheingold« begann und auf die »Walküre« der nächsten Osterfestspiele hinweisen soll. Zwar brachte ein morgendliches Erdbeben die residierenden Künstler kurz außer Tritt – aber schon zur nächsten Generalprobe trat das Orchester gewohnt diszipliniert an. Ein Wiedersehen mit Kit Armstrong gibts für die Dresdner im Frühling, dann im Stammhaus.