Der polnische Komponist Mieczyslaw Weinberg wurde 1919 in Warschau geboren. Er war 20 Jahre alt, als mit dem deutschen Einmarsch in Polen der 2. Weltkrieg begann und er als Pole jüdischer Herkunft fliehen musste. In Minsk begann er ein Studium am Konservatorium. Seine Familie hatte er längst verloren (seine Eltern blieben zurück, seine Schwestern überstanden die Flucht nicht). Sein Studium konnte er gerade noch beenden, als 1941 die deutsche Armee die Sowjetunion überfiel. Er rettete sich als russischer Staatsbürger Moissej Wainberg nach Kasachstan, nach Taschkent. Seine Begeisterung für Schostakowitsch brachte Kontakte, so dass der ältere Kollege ihn 1943 nach Moskau holte und er den begonnenen Weg als Sinfoniker (die 1. Sinfonie entstand schon 1942) fortsetzen konnte. Die zweite folgte 1946. Aber nicht nur Erfolge stellten sich ein. Als jüdischer Komponist hatte er es schwer. 1953 wurde er inhaftiert. Stalins Tod und die Hilfe Schostakowitschs retteten ihn. Im 2.Aufführungsabend am vergangenen Montag erklang die 7.Sinfonie von 1964. Die Staatskapelle, die in Gohrisch zu den Schostakowitsch Tagen auch das Umfeld des Meisters aufgreift, stellt in diesem Jahr das Schaffen von Weinberg mehr in den Mittelpunkt. Die Semperoper bringt sogar eine Inszenierung der Oper »Passagierin« von 1968 heraus und im 2. Aufführungsabend also die Rudolf Barschai gewidmete 7. Sinfonie für Streichorchester und Cembalo von 1964.
Als polnisch-jüdischer Komponist hatte Weinberg im Musikleben der Sowjetunion wenig Anerkennung. Ihn traf das jüdische Schicksal, verfolgt zu sein. Zwar liegt ein umfassendes Werkverzeichnis vor, aufgeführt aber wurde und wird er selten.. In seinen Werken lebt wenig an Hoffnung, mehr Anklänge finden sich an jüdische Melancholie. Die 7. Sinfonie offenbart solches Klangerlebnis. Zupackende Entwicklungen führen nicht zum „Sieg“, sondern brechen ab und enden in verzweifelter Trauer. Die bedrückende Atmosphäre offenbart sich hier in einer Verwandtschaft zu Bela Bartoks antifaschistischen Werken der 1930er Jahre (Musik für Saiteninstrumente und Divertimento). Es ist die pure Angst, die hier Ausdruck findet. Und das war auch beeindruckend in der Aufführung der Kapellstreicher, Jobst Schneiderat am Cembalo und Thomas Sanderling. Der 1942 in der Sowjetunion geborene Dirigent kannte den Komponisten und die Zeitumstände. So konnte er am besten den Ausdrucksintentionen des 1996 verstorbenen Komponisten nachfühlen.
Neun Jahre vor seinem Tode entstand Weinbergs 2. Flötenkonzert (das erste legte er 1961 vor). In diesem Werk sind die Widersprüche versöhnlicher angegangen. Wenn das dreisätzige Werk zwar etwas bedrückt beginnt, so führt es im 1. Satz am Ende zu einem aufbrechenden Signal. Das Konzert ist kein virtuoses, der Solist ist bei allen technischen Anforderungen Teil des sinfonischen Ablaufs. Und der Soloflötist der Staatskapelle, Andreas Kißling, traf genau diesen Ton, fügte sich ein oder gab Impulse. Nach einem elegischen 2. Satz, der bei aller Intensität des Aufbegehrens mit bedrückendem Paukenwirbel endet, beginnt das Finale tänzerisch, freundlich. Im Mittelteil dominiert ein improvisatorisch lockeres Spiel mit Glucks »Reigen seliger Geister« und Bachs »Badinerie« aus der h-Moll-Suite. Thomas Sanderling, der zu den Werken einige erklärende Worte fand, setzte sich mit vollem Einsatz für die ausdrucksstarken Kompositionen ein, die gespannt machen auf weiteres Kennenlernen der Werke Weinbergs.