Es war wie im Kino. Wäre Jean Marais aufgesprungen und hätte für den König gekämpft, das Publikum wäre nicht verwundert gewesen. Und wären die vier Musketiere gegen Richelieus Handlanger aufgetreten, man hätte’s verstanden. Aber nicht Dumas lieferte die Geschichte, sondern Alfred de Vigny, der bereits 1826 mit »Cinq-Mars« die Serie der französischen historischen Romane einleitete. Als »Der Rebell des Königs« ging die Opernfassung in vier Akten und fünf Bildern als Wiederentdeckung des Werkes von Charles Gounod über die Leipziger Opernbühne. 1877 in der Pariser Opera comique mit großem Erfolg uraufgeführt, erklang sie letztmalig daselbst 1878.
Nachdem der Leipziger Dirigent und Intendant Ulf Schirmer das Werk in München konzertant erklingen ließ, hat der aus Zypern gebürtige irische Regisseur Anthony Pilavachi eine szenische Inszenierung realisiert. Da die historische Geschichte eine unmittelbar erlebbare Handlung erfordert, hat er die handfesten Aktionen im historischen Umfeld des 17. Jahrhunderts, zur Zeit von Ludwig XIII., dem Sohn von Henri IV., angesiedelt. So entstand die fast filmische Anlage mit prächtig attraktiven Kostümen und zeitüblichen Interieurs sowie Palastdekors, die historisch einstimmte. Das war durch Markus Meyer in der Bühnen- und Kostümgestaltung ästhetisch reizvoll gelöst. Hier gab es keine unnötigen Modernisierungen. Dadurch wurde die Handlung um den Marquis de Cinq-Mars belebt, der von Richelieu an den königlichen Hof geholt wird, sich aber für den König erklärt, als Rebell gegen den Kardinal zwischen die Fronten gerät und mit seinem Freund und Mitstreiter Conseiller de Thou daran zugrunde geht. Wie in der Oper unumgänglich wird die Liebe zur Triebkraft, und Henri verliebt sich in die italienische Prinzessin Marie de Gonzaga, die allerdings Richelieu aus diplomatischen Gründen für den polnischen König vorgesehen hat. Damit sind die Konflikte und Intrigen vorgeprägt.
Die Sängerbesetzung für diese, durch Gounod mit einer treffenden musikalischen Gestaltung unterstrichenen Handlung traf in der Leipziger Aufführung den Grundton dieser Oper, die mehr nach einem Drama lyrique als einer heroischen Grand‘ Opera tendierte. David Reiland, zur Zeit Chef des Kammerorchesters von Luxembourg, hatte den rechte Zugriff für dies Werk und vermochte mit dem bestens eingestellten Gewandhausorchester die Lyrismen musikdramatisch erlebbar zu machen, eine Partitur vom meisterhafter Gestaltung an Satz und Klang, überzeugend in jedem Detail und natürlich in der Begleitung der Gesangspartien. Keine Diven waren gefordert, sondern klare Gestalter ihrer Rollen. Und das gelang hinreißend.
Die liebende Marie erhielt mit der Spanierin Fabienne Conrad eine bewegende Führung. Mathias Vidal aus der Pariser Schule prägte als Henri de Cinq-Mars überzeugend den jugendlichen Rebellen, der aufbegehrt, aber letzendlich von Richelieu zu Fall gebracht wird, obwohl der König ihn zu retten versucht. Und der Freund De Thou , von dem Amerikaner Jonathan Michie beeindruckend erfasst, konnte auch nicht helfen. So starben beide auf dem Schafott. Die Manipulationen des Kardinalsdieners Pater Joseph sind stärker. Der Amerikaner Mark Schnaible gab diesem Intriganten auf überzeugende Weise stimmlich und gestalterisch Ausdruck. Die Rebellion findet ihren Anfang in Palästen mit mehr oder minder prachtvollem Hintergrund. Es wurde nicht an der Ausstattung gespart. Prunkvolles Spiel vor goldenem Thron der Liebe bei den adligen Kurtisanen Marion Delorme und Ninon de Lenclos gehören genauso dazu wie die Treffen der Rebellen im Wald von Saint Germain, wo der Vicomte de Fontrailles (der Franzose Sebastien Soules) sie Henri de Cinq-Mars zuführt.
Ein Ballett (wie stets in Paris im 2. Akt) wurde eingefügt, bebildert zusätzlich die Aristokratenspiele im Palais von Marion Delorme. Die Choreographin Julia Grunwald gestaltete ganz locker, zuweilen auch parodistisch diese Passagen. Substantiell entscheidend für den Ablauf der Handlung war der Chor von Alessandro Zuppardo, der großartige Szenen der Hofgesellschaft und der Rebellen gesanglich und darstellerisch trug und am Ende dann auch besonders vom Publikum gefeiert wurde, wie überhaupt das fantastische Sängerensemble, das treffend begleitende Orchester und das Inszenierungsteam um Anthony Pilavachi.
Die Aufführung war Oper, wie man sie sich vorstellt, einfach klar erzählt, treffend gesungen und darstellerisch ausgespielt. „Wunderbar“ hörte man schon in der Pause als Urteil zu dieser Mantel- und Degenoper. Lang anhaltender Beifall am Schluss signalisierte die begeistere Zustimmung des Publikums.