Der Komponist Max Bruch hat drei Opern, eine Reihe von Oratorien (darunter das »Lied von der Glocke« nach Schiller) und vier (!) Violinkonzerte geschrieben. Zu seinem Ärger wurde er schon zu Lebzeiten von Konzertveranstaltern, Musikern und Publikum ausschließlich auf ein einziges dieser Konzerte reduziert. Aber das war immerhin so beliebt, dass jeder lebende Geiger es spielen wollte. Richard Strauss nutzte Passagen aus dem Adagio-Satz des Konzerts, um in der »Alpensinfonie« den Gipfelblick zu charakterisieren. (Pfitzner soll gegenüber dem Komponisten bemerkt haben: „An und für sich eine ganz passable touristische Leistung. Nur kurz vor der Gipfelbesteigung hätten Sie sich beinahe einen Bruch geholt!“*) Der dänisch-israelische Interpret Nikolaj Znaider gestaltete das g-Moll-Konzert zum Dresdner Saisonbeginn in vorbildlicher Einheit mit Orchester und dem Dirigenten Christian Thielemann auf schier einmalige Weise. Es war eine Freude, der mehr dramatischen denn lyrischen Gestaltung zu lauschen. Stürmisch jubelnder Beifall und eine ungewöhnlich dezente Zugabe, die gerade dadurch tief beeindruckte (d-Moll-Sarabande aus der 1. Solosonate von Johann Sebastian Bach).
War diese Meisterinterpretation schon ein Ereignis, so folgte im 2. Teil des Abends mit Bruckners »Erster« eine ebenso überzeugende Gestaltung eines Werkes ebenfalls aus der Mitte der 1860er Jahre. Bruckner, damals Domorganist in der Donaustadt und Schöpfer zweier Messen (d-Moll 1864 und e-Moll 1866) legte zur gleichen Zeit diesen sinfonischen Erstling vor. Zwar mehrfach bis 1891 überarbeitet, ließ er doch die noch unvollkommene, aber erfüllte ursprüngliche Form unangetastet. In dieser Linzer Fassung erklang die »Erste« im 1. Konzert der Staatskapelle. Christian Thielemann (noch inspiriert von der Gestaltung des Bruch-Konzerts) suchte nach den Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Werks, statt spätere Entwicklungen zu skizzieren. Diese innere Dynamik prägte die Aufführung des viersätzigen Werkes, in dem der Sinfoniker Bruckner sich im 1. Satz schon überzeugend äußert; im Adagio noch nach thematischer Prägnanz sucht, im knappen Scherzo mit Motivfetzen die „Pranke des Löwen“ erkennen lässt, und das Finale mit schier atemloser Dynamik erfüllt. Christian Thielemann erkannte mit seinem Orchester diese grandiose Spannung. Selten erlebt man eine solche Einheit von Dirigent und Ensemble. Hier spielte ein Meister auf der Klaviatur seines Orchesters von bester Qualität. Die bevorstehende Konzertreise nach Frankfurt, München, Wien und Mailand dürfte ein triumphaler Erfolg werden.
*Schmitz/Ure, „Tasten, Töne und Tumulte“. Siedler, 2016