Es ist geschafft. Dresdens Marketingfest ist vorbei. Es war in diesem Jahr nicht nur das größte und längste, es war schier das allergrößte und überlängste sogar! Der Kalender war voll und die Säle waren es auch.
Beinahe demutsvoll klingt hingegen solch ein Satz: „Die Jazztage Dresden mauserten sich in ihrem 17. Festivaljahrgang vom 2. bis 26. November zum größten und längsten Jazzfestival Deutschlands, wie einige der aufgetretenen Künstler wissen ließen.“ Oha! Man achte auf die Quellenangabe! Aber was solls. Improvisation gehört zum Jazz und offenbar auch zum Geschäft. Da werden schon mal Titel wie ein „Jahrtausendgenie“ generiert. Bescheidenheit klingt anders, Realitätssinn natürlich auch. Das mit der Demut nehmen wir also sofort zurück. Unfreiwillig komisch klang es schon, immer mal wieder. Oder gehört auch das zum Konzept?
Vor allem die Rechenkünste sorgten in zahlreichen Redaktionsstuben für Heiterkeit. Und nicht nur dort, denn bei den Dresdner Jazzwochen muss man rechnen können, sowohl die mitunter duldsam hingehaltenen Künstler als auch und vor allem das Publikum. Das wurde mit Sonderrabatten und Extras ohne Ende verwöhnt. Manchmal haben „unsere Freikarten- und Treuebonusaktionen bei Ihnen so großen Anklang gefunden (…), dass wir enorme Probleme mit einem internen Serverfehler bekommen haben, sodass unsere Mails teilweise mit erheblicher Verspätung (bis zu einer Woche) und somit leider teilweise auch erst nach einigen Konzerten bei Ihnen ankamen.“ Wenn Marketing nach hinten losgeht, muss man sich natürlich entschuldigen: „Wer von Ihnen sich damals für ein Gratis-Konzert angemeldet hat und aufgrund des Serverfehlers zu spät informiert wurde, erhält von uns als Entschädigung Karten für eines der Folgenden, im Freikarten- und Treuebonus-Newsletter als ’50%-Konzerte’ erwähnten, Konzerte GRATIS! Das Angebot gilt vorbehaltlich, solang die Konzerte nicht auf unserer Website als ‚Restkarten‘ oder ‚Ausverkauft‘ deklariert sind!“
Was lernen wir da? Bei schwächelndem Kartenverkauf brauchen Veranstalter künftig nur einen anständigen Serverfehler, schon ist der Saal wieder voll. Andere Fehler, und das ist nun gar nicht mehr lustig, sorgten für eine Havarie der ganzen Bühne. Die Staatsoperette ist deswegen bekanntlich nicht zu bespielen, lediglich vor dem Vorhang sind Auftritte möglich gewesen. Da ging die Rabattschlacht dann weiter: „Wir nehmen den Einsatz der Staatsoperette daher zum Anlass, zwei der dieses Wochenende stattfindenden Konzerte als Dankeskonzerte zu veranstalten und allen Zuschauern einen Rabattcode anzubieten.“
Gültig war dieser Code, wie es dann weiter hieß, für den „Zigeunergeiger mit den schnellsten Fingern der Welt“ sowie für „perfekte Unterhaltung auf höchstem Niveau“ mit immerhin „selbsternannten Vintage-Swing-Pop-Musikerinnen“. Wenig später gab es noch „Support ganz besonderer Special Guests“ (lässt sich das nicht noch superlativiger steigern?) und, nicht zu vergessen, „auch die letzte Jazztage-Dresden-2017-Nougattorte“, damit Naschkatzen und Sponsoren auf ihre Kosten kommen.
Musik gab es übrigens auch. Das Programm war noch breiter als sonst und querbeet wie stets, darunter viele Namen seit Jahren bekannter Stammgäste. Da vier Wochen nicht genug sind (warum nicht mal ein ganzes Jahr diesen fantastischen Spaß?), gibt es zum Schluss einen lustigen Ausblick folgenden Inhalts: „In 2018 stehen die 18. Jazztage an. Aber werden sie auch erwachsen?“ Und täglich summt das E-Mail-Fach: Wieder eine ganz besondere Sonderheit, die besonderste überhaupt – bis zur nächsten, die gewiss noch sonderbarer werden wird. Das Spiel der Extreme, es ist eine Superlative!
Versöhnlich stimmt immerhin eine Pressemitteilung aus dem Jazzclub Tonne: „Man muss nicht traurig sein, dass die Dresdner Jazztage vorüber sind, denn in der Tonne gibt es schließlich das ganze Jahr über Konzerte mit vielen Höhepunkten.“