Dresden und der 13. Februar – da drängt sich immer wieder dieses unsägliche Zitat von der unschuldigen, der schuldlosen Stadt auf. Aber ist Dresden nicht immer schon Garnisonsstadt gewesen? Gab es hier keine Kriegsindustrie? Und abgesehen davon: Albertinum, Semperoper und Zwinger schützten nicht vor der Zerstörung. Hatten vergleichbare Bauten in Polen und Russland, in Griechenland und Polen, in Frankreich und Italien etwa Schutz oder gar Respekt der militanten Mitläufer genossen? Die Horden der deutschen Wehrmacht zogen und marodierten quer durch Europa. Heute ist die Bundesrepublik Deutschland einer der führenden Rüstungsexporteure. Das sichert Arbeitsplätze. Sühne sieht anders aus.
Sie funktioniert nur mit einem Innehalten, einem Besinnen, so wie es in Dresden beispielsweise in den Gedenkkonzerten von Philharmonie, Staatskapelle und anderen Ensembles gepflegt wird. So man denn in den nächsten Tagen unbehelligt zu den innerstädtischen Spielstätten gelangen wird. Angesichts des Demonstrationskalenders eine fragwürdige Angelegenheit.
Es gab aber bereits völlig ungestörte, jedoch wie es hieß, dennoch leider nicht mal mäßig besuchte Konzerte des Gedenkens in Großenhain und Radebeul durch die Elblandphilharmonie Sachsen unter der Leitung ihres Chefdirigenten Ekkehard Klemm. Neben dem »Klagegesang« von Karl Amadeus Hartmann standen das »Memorial für Lidice« von Bohuslav Martinu sowie Antonín Dvoráks 6. Sinfonie auf dem Programm. Klug konzipiert, doch im Dresdner Speckgürtel nur schwer zu verkaufen. Vielleicht achtzig Radebeuler fanden den Weg in dieses Konzert. Müde.
Das Zentrum der Stadt hingegen wartet gleichermaßen mit einem Überangebot auf. Da gab es gestern in der Kreuzkirche das Mozart-Requiem nebst der Dresden-Motette »Wie liegt die Stadt so wüst« von Rudolf Mauersberger, dargeboten von Kreuzchor, Kammerakademie Potsdam und geleitet von Roderich Kreile. Am selben Abend folgten die Dresdner Philharmonie im Kulturpalast mit Schostakowitschs 13. Sinfonie, die an sich schon ein Politikum war und ist, denn ihr Titel »Babi Jar« weist auf eines der größten Menschheitsverbrechen hin; in Worte gefasst durch das gleichnamige Poem von Jewgeni Jewtuschenko. Die Ermordung von mehr als 33.000 jüdischen Menschen durch die deutsche Wehrmacht hatte der Dichter 1961 in Worte gefasst, ein Jahr später wurde diese auch gegen den Antisemitismus der Sowjetunion gerichtete Anklage von Dmitri Schostakowitsch vertont. Das großartige Werk erklang nun in der Verbindung mit Arvo Pärts »De profundis«, James MacMillans »… here in hiding …« sowie Max Regers »Requiem« aus den »Zehn Gesängen«. Eine Wiederholung dieses ebenfalls höchst stimmigen Programms gibt es – leicht variiert – am 13. Februar um 19.30 Uhr.
Auch die Sächsische Staatskapelle zeigt sich ihrer Verantwortung bewusst und hebt zum Gedenktag die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach ins Programm. Ein Monumentalwerk, das unter Leitung von Philippe Herreweghe zweimal in der Semperoper erklingt (13./14.2.) und anschließend noch in der Frauenkirche (15.2.) aufgeführt werden soll.
Musik weitet die Herzen. Vielleicht auch die Sinne? Dann könnte darüber nachgedacht werden, wie wenig wir aus all den bisherigen Zerstörungen gelernt haben. Die Anzahl der Kriege hat wieder zugenommen. Deutsche Waffen werden in fast alle Welt exportiert, und Militärs dieses Landes haben erneut an der Grenze zu Russland Stellung bezogen…