Schon der Titel birgt Ironie. Eine Oper für drei Groschen sollte es sein, so billig, dass auch Bettler in deren Genuss kämen. Auch 1928, zur Uraufführung im Berliner Theater am Schiffbauer Damm, waren es nicht die Bettler, sondern das vornehmlich bürgerliche und zahlungskräftige Publikum, das sich über Bertolt Brechts Kapitalismuskritik, die mit erhobenem Zeigefinger daherkam, köstlich amüsierte. Der deutsche Bürger ließ sich einfach nicht erschrecken am Ende der sogenannten goldenen Zwanziger Jahre, denen dann bald die braunen Jahre folgten. Der Erfolg verdankte sich wahrscheinlich weniger dem Stück an sich, als eher der genialen „Gebrauchsmusik“, von Kurt Weill, „die sich auch wirklich gebrauchen lässt“, so Theodor W. Adorno anlässlich der Berliner Uraufführung.
Später dann wurde es nicht leichter, mit diesem Stück umzugehen, zudem die Gesangspartien in den meisten Inszenierungen vornehmlich an Schauspieler fielen. Dass Brechts Ironie unter der Oberfläche dennoch kräftig nagt, wollte man meistens nicht wahrhaben: Macheath, der Bandenchef, nicht nur nimmt, was ihm unter die Finger kommt. Er ist auch kein Kostverächter, wenn es um das weibliche Geschlecht geht. Er ist leider verdammt sympathisch, ein Lump mit Herz, und wenn er gut gespielt und gesungen wird, dann möchte ihn doch wirklich am Ende keiner am Galgen hängen sehen.
Inszeniert man also diese »Dreigroschenoper« heute, dann sollte der antikapitalistische Zeigefinger unten bleiben und man sollte es ernst nehmen, dass es sich schon zur Uraufführung um eine Opernparodie handelte. Ergo: kein Aufklärungsstück, sondern eher die Parodie der Parodie. Das hat Sebastian Ritschel, Operndirektor der Landesbühnen Sachsen, nun mit seiner Inszenierung an der Dresdner Staatsoperette auch getan – und das geht richtig gut! Die Post geht ab, das Tempo stimmt, die Töne auch, hier singen und spielen Sängerinnen und Sänger mit ihren Erfahrungen in der Oper, in der Operette und im Musical, was der Aufführung sehr zugute kommt.
Das kleine Orchester wird von Christian Garbosnik angefeuert. Die Ouvertüre scheppert noch etwas blechern aus den Boxen der Verstärker, das Händchen für den Schmelz der Weillschen Partitur hat er später aber auch. Jetzt erst mal auf zum Jahrmarkt in Soho. Und schon reißt da so ein Ungeheuer im Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic das Maul auf. Ist das der Haifisch mit den Zähnen oder dessen Mutation zum übergroßen Kuscheltier? Wen stört das – alle tanzen rein, in das weit aufgerissene Maul, in der Choreografie von Simon Eichenberger, die immer mal auch im Tanz mit gebrochenen Bewegungssentenzen an die Unzulänglichkeit des menschlichen Lebens erinnert, was sich bestens erschließt, wenn später der entsprechende Song erklingt. Aber bis dahin kann man mit Vergnügen erleben, wie sich jene Unzulänglichkeiten aller Arten in Annehmlichkeiten bester Arten verwandeln lassen. Ritschel inszeniert so eine schillernde Revue der verführten Verführer, Klischees mit Sahnehäubchen, reizt die Grenzen der Groteske aus, auch mit den von ihm entworfenen Kostümen mit den Zitaten der unterhaltenden Genres, was opernhaften Augenschmaus bedeuten kann oder Clownerie aus dem Zirkus.
Sie sind nämlich alle Clowns, diese Gangster der Bande ihres Königs Macheath. Sie nehmen sich, was sie wollen; so viel Geschick ist dafür gar nicht nötig, denn mit Pfiff und guter Laune erreicht man offensichtlich mehr als mit dem Brecheisen. Und auch die Bettler dieses einträglichen Gewerbes erschrecken nicht mit ihrem Anblick; bewegliche, elegante, gut gekleidete Tänzer des Balletts sind es hier.
Konkurrenz belebt. Und Macheath hat einen Plan, seinen Konkurrenten Peachum auszuschalten: er heiratet dessen Tochter Polly! Olivia Delauré im sittsam bürgerlichen Kleid, bis oben hin geschlossen, erweist sich, wenn es drauf ankommt, ganz und gar nicht als zugeknöpfte, anständige Tochter aus dem Haus des guten Anscheins. Und dass sie Marcus Günzel als Macheath verfallen ist, das nimmt man ihr ab, nicht nur, weil er so schön singen kann. Er macht auch was her mit seinen Tätowierungen, bei immer offen getragenem weitem, elegantem Mantel. Es kribbelt schon, wenn beide den berühmten Mond über Soho ansingen, „Und wo du hingehst, da will auch ich sein“. Kann auch der Knast sein, denn da landet der Gangsterkönig. Nicht mal sein Kamerad aus alten Kriegszeiten (Christian Grygas als Polizeichef Brown), der Mann mit mindestens zwei Gesichtern, kann da was machen. Es sieht ganz so aus, als zöge Macheath nun doch einmal den Kürzeren. Nicht zu vergessen: Silke Richter als dessen Gattin mit den grandiosen Tönen des Gesanges einer Frau, die weiß was sie will.
Aber vielleicht hat sich der sympathische Gangster auch noch in den Stricken der Liebe verheddert, da taucht Julia Danz als Lucy auf, zersägt im immer wieder gern gesehenen Trick einer Zaubershow ihre Konkurrentin Polly, die ja eh alles andere als eine eiserne Jungfrau ist. Und wenn sich Macheath mit der so wunderbar nachdenklichen, sensibel singenden Bettina Weichert als Spelunken-Jenny im Duett schmelzend längst vergangener Zeiten erinnert, dann schmelzen die Herzen im Parkett der Staatsoperette.
Aber wir sind in der Oper, ein einer Oper für drei Groschen zumal, da muss es ein gutes Ende geben. Gemeinsames Morden verbindet, den Kanonensong mit den Kriegserinnerungen alter Kameraden, Macheath und Tiger Brown, den hat man doch noch im Ohr, wenn der reitende Bote erscheint und die kleinwüchsige Darstellerin in Jana Maaz als Königin von England in grandioser, theatraler Größe, nicht nur Gnade vor Recht ergehen lässt, sondern sich großzügig erweist: Ein Schloss und Rente auf Lebenszeit für Macheath und alle, die ihm folgen werden, das sind nicht wenige, die dann im Lichte stehen. Die anderen, im Dunkeln, die Bettler, die Huren, die Stricher, Freier und Revuegirls, getanzt und gespielt vom Ballett und vom Chor der Staatsoperette, sie durften zumindest in dieser Aufführung dann doch gehörig im Rampenlicht stehen.
Für die nächsten Vorstellungen sind nur noch Restkarten erhältlich. Ab Anfang Juli wieder Tickets online.