Boris Gruhl

02.06.2014: Die Absicht verstellt den Blick

In Dresden hat einst Hans-Dieter Schal seinen Turm für die »Elektra«-Inszenierung der Ruth Berghaus gebaut. Für die einen war er eine Kommandozentrale, für andere ein Sprungturm; wieder andere meinten, die Kapitänsbrücke auf einem Schiff zu sehen. Auf jeden Fall ging für Elektra der Blick immer von dieser Erhöhung in die Ferne, ein grandioses Bild. Hingegen verstellt in der aktuellen Opernproduktion »Simon Boccanegra« die Absicht zu oft den Durchblick auf die ohnehin nicht leicht zu durchschauende Handlung der Verdi’schen Oper.

23.05.2014: Unser Mann in Los Angeles

Keine Frage, die Tanzwelt verdankt dem Choreografen William Forsythe unendlich viel. Als das Festspielhaus in Hellerau saniert war, frohlockten die Landeshauptstädter: „Der Tanz geht weiter!“ Die Forsythe Company residierte fortan in Frankfurt und Dresden. Seit heute steht fest: die Übergabe an Jacopo Godani ist an beiden Orten in trockenen Tüchern, die Finanzierung bis 2018 gesichert. Nachdenklich macht nur diese Meldung aus Los Angeles, die die feierliche Stabübergabe auf einmal in ein anderes Licht rückt.

22.05.2014: Tanz, der meint, der Worte zu bedürfen

»Zehn mal wir selbst….und plötzlich habe ich mich gefunden« – so das Motto, unter dem die öffentlichen Abschlussprüfungen des Bachelor-
Studienganges Tanz der Palucca Hochschule standen. Fast alle Choreografinnen und Choreografen wollten im Hellerauer Festspielhaus kleine Geschichten erzählen und vertrauten in einigen Fällen dabei nicht allein auf die Kraft des körperlichen Ausdrucks, sondern meinten, der Worte zu bedürfen. Warum aber schöpften sie vorher die Möglichkeiten des Tanzes nicht aus?

03.04.2014: Unbeirrt vom Lärm der Welt

Ein neues Werk für großes Orchester, Chor, Sänger und Schauspieler, uraufgeführt in Weimar, heißt »Vom Lärm der Welt oder die Offenbarung des Thomas Münzer«. Offenbarung ist die Musik des Dresdner Komponisten Sven Helbig: kein Lärm für den Lärm der Welt, eher Klangflächen für das Orchester, deren scheinbare Ruhe aber trügerisch ist. Darunter verbirgt sich etwas zutiefst Beunruhigendes.