So, ich bin wieder da. Vor Ostern war ich in Regensburg. Es regnete. Und die Kammeroper „Der letzte Virtuose“ hatte Premiere, unter Leitung eines Dirigenten, der Dresdnern nicht ganz unbekannt ist. Derzeit beschäftigt mich fast rund um die Uhr der Tanz, genauer die Tanzwoche Dresden, die am Donnerstag beginnt.
Boris Gruhl
So, ich bin wieder da. Der Tanz lockte mich nach Chemnitz und Eisenach, die Reisen habe ich nicht bereut. Eine Überraschung in Dresden, Pech für das Staatsballet Berlin, Glück für das Semperoper Ballett. Eine Erinnerungsreise im Kopf im Nachgang einer Dresdner Uraufführung, dankbare Erinnerungen zum Abschied von Wolfgang Rennert, und als Empfehlung zu Ostern eine CD mit Liedern.
Heute mit Verspätung. Ich bitte um Entschuldigung, nicht Frühjahrsmüdigkeit, sondern eine kleine Frühjahrserkältung ist der Grund. Dabei sprudle ich ja über vor Freude über das Gastspiel des New York City Ballet in Ludwigshafen und bin schon wieder in bester Reisestimmung voller Vorfreude auf eine Geburtstagsparty in Berlin. Ich bin ein Genießer. Ich habe keine Angst vor dem „Kulturinfarkt“, ich halte es mit Moses Mendelssohn, geboren 1729 in Dessau, gestorben 1786 in Berlin, Deutscher Philosoph der Aufklärung, der gesagt hat, dass der Zucker nur einen einzigen Fehler habe: man könne keinen Zucker dazu essen!
Letzten Donnerstag habe ich die Besucher bei einem Konzert in Dresden gezählt, zweimal in einer Stunde. Tags darauf war nicht zu übersehen, dass neben mir in der Leipziger Oper zwei Plätze frei geblieben waren. Jetzt sitze ich im Zug und zähle die Stunden bis zur Ankunft in Ludwigshafen. Und über alles gibt’s was zu erzählen.
Letzten Freitag bin ich fremd gegangen. War mal dran und hat auch richtig Spaß gemacht. Ich war in der Komödie Dresden, dem Privattheater im World-Trade-Center, und wäre ich nicht einer Empfehlung gefolgt und hätte eine Einladung ausgeschlagen, ich wäre nicht dahin gekommen. Nun war ich da – und das ist gut so.
Mir fiel auf, wie ernsthaft sie die Aufführungen oder Konzerte verfolgte; wie immer wieder ihre Hände begannen mitzudirigieren oder sich auch schon mal wütend zur kleinen Faust ballten, bis die Haut über den Knöcheln bläulich anlief. Leb‘ wohl, kleine „Blaumeise“ – im Himmel soll´s ja viel Bach geben und Mozart auch, wegen der Ökumene…
Manchmal, bei ganz hohen Anlässen, wird ja gesungen im höchsten deutschen Haus. Wie wärs demnächst mit Brecht und Weill, mit Adelheid Wette und Engelbert Humperdinck; und bei so viel protestantisch-selbstloser Volksverbundenheit könnte auch gleich noch die Nationalhymne ausgetauscht werden.
Am 13. Februar 1985 wurde die Semperoper wiedereröffnet. Es war ein kalter Tag. In der Stadt war was los. Polizei und Sicherheitskräfte waren unterwegs. Vor der ersten Premiere im dritten Semperbau sprach Erich Honecker auf dem Opernplatz, die Rede soll kurz gewesen sein. Dann begann der Opernbetrieb. Komisch: dieses einmalige Operngefühl, dass mir „Hören und Sehen vergeht“, hatte ich seit diesen Tagen nur noch selten.
Boris Michael Gruhl besucht die Grande Dame Eleonore Elstermann in ihrem Haus in Bühlau und kommt in den Genuss eines Privatkonzerts. Und zitiert Ausschnitte aus Ralph Bollmanns Buch „Walküre in Detmold“. Der Autor ging auf eine „Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz“ – und besuchte daher auch Dresden…