Boris Gruhl

22.11.2009: Gleich hinter Dresden steht das Märchenschloss am Schwanensee…

Solchen Jubel, solche Begeisterung hat man lange nicht mehr nach einer Premiere in der Dresdner Semperoper erlebt. Mehr als zehn Minuten Applaus für „Schwanensee“. Im Verlauf des Abends schon spart das Publikum nicht mit Beifall für die Solisten, für die außerordentlichen Leistungen der Damen des Corps de Ballet und für die eleganten Tänze beim Walzer des ersten Aktes, für die brillanten Divertissements des zweiten Aktes.

21.11.2009: Ich, du, er, sie, es, wir alle, Ödipus und Ödipussi

Wann weht er denn endlich, der frische Wind auf dem Dresdner Hügel der Moderne, im Hellerauer Festspielhaus? Die Regisseurin und Choreografin Constanza Macras macht in Dresden Hellerau Theater, Tanztheater und ein bisschen Oper, stellt sich jedoch den besonderen Herausforderungen des Raumes nicht. Ihr "Oedipus Rex" gerät hart an die Grenzen der Beliebigkeit.

18.11.2009: Winterkorrespondenz 2: John Neumeiers „Endstation Sehnsucht“ wieder beim Hamburg Ballett

Als risse es ihre Körper auseinander, so bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer. Als würden sie geschlagen, gepeitscht, gejagt, getrieben, verfolgt, so werfen sie sich durch den weiten Raum der großen leeren Bühne des Hamburger Opernhauses. Sequenzen der Erinnerung, jäh durchbrochen von denen der Gewalt und der Erniedrigung. Endstation Sehnsucht für Blanche duBois in John Neumeiers Ballett nach „A Streetcar named Desire“ von Tennessee Williams aus dem Jahre 1947, das er 1983 für das Stuttgarter Ballett schuf, 1987 in Hamburg einstudierte und jetzt hier wieder aufgenommen hat.

16.11.2009: „Ich war 200 Prozent Tänzer, jetzt gebe ich Erfahrungen weiter.“ Gamal Gouda ist neuer Ballettmeister des Semperoper Ballett

Gamal Gouda ist neu im Ensemble des Dresden Semperoper Ballett. Er ist der Neue im Quartett der Ballettmeister. Neu in Dresden ist der ehemals weltbekannte Solotänzer ganz und gar nicht, der jetzt vom Bayerischen Staatsballett hier her gekommen ist. Er kehrt zurück in eine Stadt, an ein Theater, mit dem sich etliche Erinnerungen im Verlauf der außergewöhnlichen Karriere des jetzt 51jährigen verbinden.

15.11.2009: Winterkorrespondenz: Das Königliche Ballett Kopenhagen verlegt seinen Klassiker in die fünfziger Jahre

Kopenhagen im November. Hier herrscht Herbstwetter, dunkel, nass, kalt und windig, jedes Klischee wird bedient. Man flüchtet ins Theater, ins alte Opernhaus. „Napoli“ wird hier gegeben, Premiere des Dauerbrenners beim Königlichen Balletts, seit der Uraufführung 1842 über 800 Mal gespielt auf diesen Brettern, die die Welt bedeuten. Das Haus ist ausverkauft, man will dabei sein, wenn der Ballettchef Nikolaj Hübbe gemeinsam mit Sorella Englund diesen romantischen getanzten Traum des Südens in das neapolitanische Ambiente der frühen 50ger Jahre verlegt.

12.10.2009: Besinnlich und heiter: „Der Waffenschmied“ an den Landesbühnen

Der ehrbare Bürger, Wohltäter in Sachen Tierschutz, betreibt sein Gewerbe, das immer noch Waffen produziert, im weißen Kittel. Nur bleiben seine Hände sauber, geschmiedet wird von anderen, abgeschirmt, zur Besichtigung frei, wenn Besucher kommen und die Arbeiter singen… Wir wären nicht bei Lortzing und einer seiner liebenswürdigsten Spielopern, würde nicht auf allerlei Umwegen mit krausen Konstrukten zusammenkommen, was zusammengehört. Boris Michael Gruhl über die jüngste Radebeuler Premiere.

08.10.2009: Ein Amerikaner in Paris, Sabinchen im Himmel, ein Banjo im Orchester

Dresden, 3. Oktober, Staatsoperette in Leuben. Hier geht am Abend die Sonne auf. Die Sonne über der Karibikinsel Kuba. Man meint sie zu spüren, die Exotik der Palmen am Meer, das Temperament der Menschen, in George Gershwins Kubanischer Ouvertüre von 1932. Nach eruptivem Beginn herrlich träge Stimmung bevor der Rhythmus wieder siegt und das knappe, umso prägnantere Stück in einem wilden Rumba-Taumel mit den Klängen  typischer Instrumente, geschüttelt, gerasselt und geschlagen endet.

05.10.2009: Es lebe die Beliebigkeit – Verdis „La traviata“ als blasses Premierenereignis in der Semperoper

Es hat schon bei der Uraufführung, 1853 in Venedig, nicht geklappt, Verdis Oper als Gegenwartsstück zu geben. Der Regisseur verlegte die Handlung daher um 100 Jahre zurück, was zunächst auch nicht den großen Erfolg brachte, aber inzwischen zur bewährten Methode wurde, singende Menschen und ihre Möglichkeiten der Darstellung angemessen in Einklang zu bringen. Andreas Homoki bekam zur Premiere lautstarke Buhs für seine Aktualisierungsklischees. Freundlicher Applaus für den Chor und seinen neuen Chef Pablo Assante, spürbare Zurückhaltung für Fabio Luisi und die Staatskapelle.